Riesenplan am Amazonas
Brasiliens Regierung gibt grünes Licht für drittgrößtes Staudammprojekt der Welt. Widerstand von Umweltschützern und indigenen Völkern
Von Andreas Knobloch *
Am Montag (1. Feb.) hat die brasilianische Regierung nach zwei Jahrzehnten Planung grünes Licht für das Staudammprojekt Belo Monte im Herzen des
Regenwaldes gegeben. Doch vor allem Indigena-Vertreter und Umweltgruppen
protestieren gegen den Bau.
Die Baukosten des Staudamms sind auf umgerechnet knapp acht Milliarden
Euro veranschlagt. Den Großteil der Finanzierung übernimmt wohl die
staatliche Entwicklungsbank BNDES. Mit einer Stromleistung von 11000
Megawatt wird Belo Monte am Xingu, einem Nebenfluß des Amazonas, nach
dem Drei-Schluchten-Stausee in China und dem gemeinsam von Brasilien und
Paraguay betriebenen Itaipú-Staudamm zum drittgrößten Wasserkraftwerk
der Welt. Das Projekt ist Teil des sogenannten Programms zur
Beschleunigung des Wachstums (PAC), einer riesigen, von der
brasilianischen Regierung aufgelegten Agenda zur Förderung der
Infrastruktur des Landes. Die Regierung in Brasilia erachtet die
Errichtung von Wasserkraftwerken als unabdingbar für die Sicherung der
Energieversorgung. So sollen allein im Amazonas-Gebiet in den nächsten
Jahren rund siebzig kleinere und größere neue Wasserkraftwerke
entstehen. Auch helfe das Projekt in Belo Monte, den Kohlendioxidausstoß
zu reduzieren -- und damit Brasilien, seine im vergangenen Jahr
festgelegten Emissionsziele einzuhalten. Die Ausschreibung für den Bau
von Belo Monte soll im April beginnen, die Stromerzeugung im Jahr 2015.
Nach der Fertigstellung soll der Riesenstaudamm elf Prozent des
brasilianischen Strombedarfs decken. Bereits jetzt hat Wasserkraft einen
Anteil von 80 Prozent am einheimischen Energieaufkommen.
»Es ist ein Projekt, das vielleicht seit zwanzig Jahren Polemik
hervorruft und andererseits eine große Herausforderung und Teil von
Brasiliens Kampf gegen den Klimawandel ist, indem der Anteil
erneuerbarer Energien ausgeweitet wird«, verteidigte Umweltminister
Carlos Minc den Staudamm. Sowohl Befürworter als auch Gegner seien
umfassend angehört und letztlich ein ordentlicher Kompromiß gefunden
worden. So sei das ursprüngliche Konzept von vier geplanten
Wasserkraftwerken in Belo Monte auf eines reduziert worden, so der Minister.
Umweltschützer und Menschenrechtsgruppen dagegen kritisieren das Projekt
wegen seiner Auswirkungen auf die Ureinwohner und die Umwelt. Der
Stausee wird rund 500 Quadratkilometer Land überfluten. Zunächst waren
gar 1500 Quadratkilometer geplant. Die Auswirkungen auf das Ökosystem
und die Fischbestände sind so oder so verheerend. Das Xingu-Becken hat
laut Experten den selben Reichtum an Fischarten wie ganz Europa. Diese
Biodiversität wird durch das Wasserkraftwerk unwiederbringlich zerstört.
Nach Angaben der Bewegung Xingu Vivo müßten zudem rund 20000 Einwohner
umgesiedelt werden. Der Staudamm bedroht somit den Lebensraum mehrerer
indigener Völker, bemängeln deren Vertreter. Auch seien ihre Einwände
während der Anhörungen nur ungenügend berücksichtigt worden, obwohl sie
die direkt Betroffenen seien.
* Aus: junge Welt, 3. Februar 2010
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