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Deutsche "Dingos" via USA nach Israel

Wie Exportbeschränkungen umgangen werden

Von Oliver Eberhardt, Jerusalem*

Israels Militär hat beim deutschen Rüstungskonzern KMW 100 gepanzerte Truppentransporter bestellt. Um die Exportbeschränkungen zu umgehen, werden die »Dingos« in den USA zusammengebaut.

Das Geschäft wurde nur einen Monat nach einem spektakulären Zwischenfall im Gaza-Streifen geschlossen: Anfang Mai waren sechs israelische Soldaten ums Leben gekommen, als unter ihrem Transporter eine Bombe explodierte. Im Verteidigungsministerium in Tel Aviv hatte man schon seit Monaten geplant, möglichst viele der »Humvee«-Transporter durch die von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) hergestellten »Dingos« zu ersetzen. Die sind zwar drei mal so teuer wie die Erzeugnisse der USA-Konkurrenz, bieten aber besseren Schutz gegen Minen und Bomben am Straßenrand.

Sofort wurden die Verhandlungen beschleunigt, und man fand auch eine Lösung für die beiden Hauptprobleme der israelischen Seite: Einzelteile der »Dingos« werden zwar in Deutschland vorgefertigt, aber von einem USA-Unternehmen in New Orleans zusammengebaut und anschließend nach Israel verschifft. Auf diese Weise umgeht man die deutschen Exportvorschriften und kann zur Finanzierung Gelder aus USA-Rüstungsbeihilfen nutzen.

Immer wieder war Israels Militär auf seiner Einkaufstour bei deutschen Rüstungskonzernen von Exportbeschränkungen und einer begrenzten Geldbörse gestoppt worden. Deutsche Rüstungsgüter sind nicht nur teuer. Seit 2001 erteilt der Bundessicherheitsrat auch nur noch selten Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Israel. Voraussetzung ist, dass das bestellte Material nicht für einen Einsatz in den palästinensischen Gebieten verwendet werden kann – so wie im Fall zweier U-Booten des Typs U 212, die Israel vor einigen Monaten bei der Kieler HDW-Werft bestellte.

In Israel sorgt dieser Vorbehalt nach wie vor für Irritationen – nur leiser als vor drei Jahren, als Politik und Verwaltung ihrem Ärger offen Luft machten: In Gesprächen hinter geschlossenen Türen, berichten Kontakte, werde immer wieder auf die deutsche Verantwortung für das Überleben des jüdischen Staates hingewiesen und die deutsch-israelische Freundschaft beschworen. Doch die Bundesregierung ist vorerst auf ihre Rolle als »ehrlicher Makler« zwischen Israel und den arabischen Staaten bedacht, die unter anderem den Gefangenenaustausch mit der Hisbollah im vergangenen Jahr möglich machte.

Israel selbst hat hart am Ausbau seiner Rüstungsindustrie gearbeitet, seit es im Jom-Kippur-Krieg 1973, von dem man völlig überrascht worden war, zu lange auf Waffenlieferungen aus den USA hatte warten müssen. Tagelang waren die Streitkräfte auf Material angewiesen, das bereits im Sechs-Tage-Krieg 1967 eingesetzt worden war. So wurden in den folgenden Jahren die Waffen- und Panzerproduktion sowie die Flugzeugwartung aus- und aufgebaut.

Nach Ansicht des Verteidigungsexperten Dr. Gal Manor von der Universität Tel Aviv wäre Israel technologisch dazu in der Lage, nahezu seinen gesamten Bedarf aus eigener Produktion zu decken: »Aber nicht alles, was möglich ist, ist für ein finanzschwaches Land wie Israel auch machbar.« Der Aufbau einer eigenen Produktion von Kampfflugzeugen etwa wäre teurer als der Ankauf von Jets in den USA, deren jährliche Zahlungen erst dafür sorgen, dass Israels Militär auf dem neuesten Stand der Technik bleiben kann. Diese Zahlungen aber sind zu einem großen Teil an Aufträge für USA-Unternehmen gebunden. So müssen selbst einfache Ausrüstungsgestände jenseits des Atlantiks gekauft werden: Uniformen zum Beispiel.

So beschränkt sich Israels eigenes Engagement im Bereich der Hochtechnologie weitgehend auf die Wartung der gelieferten Systeme. Daneben arbeiten Ingenieure ständig daran, die gelieferten Güter für die Bedürfnisse ihres Staates zu optimieren. Auf diese Weise ist Israel mittlerweile selber zum Rüstungsexporteur geworden: So ist China sehr an Raketenabwehrsystemen interessiert, die in Israel modifiziert wurden. Und die Türkei lässt ihre ebenfalls aus den USA importierten Kampfflugzeuge gerne in den Hangars von Israel Aircraft Industries warten.

Während israelische Einkaufstouren oft von den Rüstungskontrollgesetzen westlicher Staaten gestoppt werden, ist man bei eigenen Exporten weniger zurückhaltend: »Solange es sich bei dem Besteller nicht gerade um ein direkt verfeindetes Land handelt, ist man mit so gut wie jedem Kunden zufrieden«, sagt Manor. Diese Haltung sorgt aber auch für Konflikte mit den Verbündeten: So beobachtet die USA-Regierung Israels Exporte nach China mit Argusaugen – und interveniert von Zeit zu Zeit, wie 1999, als Israel ein modifiziertes Raketenabwehrsystem »made in USA« an Peking verkaufen wollte. Damit wären Washingtons Embargobestimmungen umgangen worden.

* Aus: Neues Deutschland, 15. Juli 2004


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