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"Für ein anderes Europa, für ein solidarisches Europa"

Attac beendet die Stuttgarter Europa-Konferenz. Abschlusserklärung im Wortlaut

Im Folgenden dokumentieren wir eine Erklärung, die auf dem Attac-Kongress "EU global - fatal?", der in Stuttgart am 4. und 5. März 2005 stattfand, als Schlussdokument angenommen wurde. Das mit viel Beifall aufgenommene Einleitungsreferat hatte Prof. Ulrich Duchrow gehalten, von dem wir seit geraumer Zeit den viel beachteten Beitrag "Der Gott der EU-Verfassung" auf unserer Website dokumentiert haben.


Stuttgarter Erklärung der Europa-Konferenz "EU global - fatal?!"

"Für ein anderes Europa, für ein solidarisches Europa"

Nein zu dieser EU-"Verfassung"

1. Die Teilnehmer/innen der Europa-Konferenz in Stuttgart lehnen den Entwurf der EU-Verfassung aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Er bedeutet in mehrfacher Hinsicht einen Systemwechsel gegenüber den Festlegungen des Grundgesetzes:
  • Der Verfassungsentwurf höhlt das grundgesetzlich garantierte Sozialstaatsprinzip entscheidend aus, die Sozialstaatsverpflichtung wird den privatkapitalistischen Gewinninteressen auf dem Altar der Wettbewerbsfähigkeit geopfert
  • Die grundgesetzliche Beschränkung des Militärs auf Landesverteidigung wird ausgehebelt zugunsten einer militärisch-expansiven Interventionsfähigkeit zur weltweiten Sicherung der EU-Wirtschaftsinteressen. Damit schickt sich die EU an, in Konkurrenz zu den USA, selbst zu einer imperialen Weltmacht zu werden und fällt so zurück in die imperialen Traditionen der Kolonialreiche.
  • Das im Grundgesetz vorgeschriebene Zustimmungsrecht des Parlaments für Militäreinsätze wird in der EU-Verfassung abgeschafft und zu einem reinen Anhörungsrecht des EU-Parlaments degradiert.
Unsere Kritik richtet sich nicht allein gegen dieses Verfassungsprojekt, sondern darüber hinaus gegen den neoliberal-kapitalistischen Charakter der Europäischen Union. Schon die Festlegung auf den EU-Binnenmarkt 1993 und die Orientierung der Wirtschafts- und Währungsunion vorrangig auf das Ziel der Preisstabilität gingen zu Lasten der sozialen Sicherheit großer und zunehmender Teile der Bevölkerung. Auch die expansive Politik der Steigerung des Wirtschaftswachstums (siehe Lissabon-Strategie) geht massiv auf Kosten der natürlichen Lebensgrundlagen.

2. Das Europa, das wir wollen, setzt auf die weltweite Entwicklung demokratischer und sozialer Rechte und die Sicherung natürlicher Lebensgrundlagen und ordnet wirtschaftliche Interessen den Lebensinteressen der Menschen unter. Wir setzen uns für ein friedliches Europa ein, das militärisch und atomar abrüstet. Dieses Europa wird nur durchzusetzen sein mit einem breiten Bündnis der sozialen Bewegungen.

An die Stelle einer von den herrschenden Eliten formulierten und ohne die direkte Beteiligung der Bevölkerung verabschiedeten EU-Verfassung setzen wir ein Europa von unten, ein solidarisches Europa aller Menschen. Unsere Vision eines demokratischen Europas knüpft an die erkämpften sozialen und demokratischen Rechte an. Wir fordern:
  • den Verzicht auf die Privatisierung der Daseinsvorsorge (u.a. in den Bereichen Wasser, Gesundheit, Bildung). Stattdessen fordern wir neue Formen demokratischer Kontrolle von Eigentum an Produktionsmitteln.
  • die Durchsetzung von Steuergerechtigkeit anstelle weiteren Steuerdumpings zugunsten der Unternehmen und Vermögenden
  • eine solidarische Umverteilung der Erwerbsarbeit mit radikaler Arbeitszeitverkürzung sowie eine Angleichung der Lohn- und Sozialstandards nach oben.
  • den Ausbau von Instrumenten und Institutionen ziviler Konfliktlösungen
3. Wir rufen auf zu einem breiten sozialen und politischen Widerstand gegen diese EU-Verfassung. Wir fordern in Deutschland die Aussetzung der Ratifizierung durch Bundestag und Bundesrat und die Vorbereitung und Durchführung eines Referendums zum Verfassungsvertrag. Wir unterstützen in anderen Ländern, in denen es Referenden gibt, jene Kräfte, die für ein solidarisches und soziales Nein einstehen. Wir rufen auf zur Teilnahme am europaweiten Aktionstag gegen die EU-Verfassung am 19. März 2005 in Brüssel!

Stuttgart, den 5. März 2005


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