"Wichtig ist der Druck aus der Bevölkerung"
US-Atombomben in der BRD: Kriegsgegner wollen am Sonntag den Fliegerhorst Büchel in der Eifel blockieren. Gespräch mit Inge Höger *
Inge Höger ist abrüstungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.
Sie wollen sich am Sonntag an den Blockaden gegen den in der Südeifel gelegenen Fliegerhorst Büchel beteiligen, wo die letzten in Deutschland verbliebenen Atombomben der USA stationiert sind. Was wollen Sie mit den Protesten erreichen?
Natürlich geht es darum, den Abzug dieser Atomwaffen zu erreichen. Aber ebenso wichtig ist es, kontinuierlich daran zu erinnern, daß in Deutschland – auch mit deutschen Soldaten und deutschen Kampfflugzeugen! – der Atomkrieg vorbereitet wird. Der menschenverachtenden atomaren Bewaffnung wollen wir mit einer fröhlichen und friedlichen Musikblockade entgegentreten. Wir wollen mit einem Happening unter dem Motto »Abrüstungsinstrumente – Rhythm beats Bombs« 24 Stunden lang die Zufahrtstore des Atomwaffenlagers Büchel blockieren.
Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP von 2009 wurde bereits festgeschrieben, daß sich die Bundesregierung für den Abzug dieser Atomwaffen einsetzen werde. Rennen Sie da nicht offene Türen ein?
Das Versprechen war ein offener Betrug. Die Bundesregierung hat sich regelmäßig bei der NATO für die Beibehaltung der Doktrin der nuklearen Abschreckung ausgesprochen. Mehr noch: Beim jüngsten NATO-Gipfel in Chicago hat die Bundesregierung einer Modernisierung der in Deutschland stationierten Atomwaffen zugestimmt und Investitionen in deutsche Kampfbomber des Typs Tornado versprochen, damit diese auch in Zukunft Atomwaffen abwerfen können. Protest ist folglich heute noch nötiger als 2009.
Was als Modernisierung angekündigt wird, ist eine komplette Neustationierung von atomaren Waffensystemen, die deutlich mehr Einsatzmöglichkeiten bieten als die bisherigen. Sie sind kleiner, können zielgenauer eingesetzt werden und senken so die Hemmschwelle für ihren Einsatz.
Vor allem die FDP hatte laut angekündigt, sich für den Abzug der auf deutschem Boden stationierten US-Atomwaffen starkmachen zu wollen. Woran ist Außenminister Guido Westerwelle gescheitert?
Wenn eine deutsche Regierung sich ernsthaft von den Atomkriegsvorbereitungen ihrer NATO-Verbündeten verabschieden will, dann ist auch mit Gegenwind, besonders durch die US-Regierung, zu rechnen. Da die Bundesregierung jedoch Bündnissolidarität über alles stellt, hat sie kein Interesse an einer politischen Konfrontation.
Rußland hat dem ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden kürzlich Asyl gewährt. Der hatte die millionenfache Überwachung von deutschen Bundesbürgern durch den US-Geheimdienst NSA aufgedeckt. Halten Sie es vor dem Hintergrund des aktuellen Machtpokers zwischen Rußland und den USA für realistisch, daß die US-Regierung auf die atomare Drohkulisse verzichten wird?
Ich gehe davon aus, daß die US-Regierung, schon aus ökonomischen Erwägungen, eine gewisse Reduzierung ihrer Atomwaffen weiter verfolgen wird, allerdings nur, wenn das russische Arsenal ebenfalls verkleinert wird. Grundsätzlich können wir aber davon ausgehen, daß die USA auf Atomwaffen – auch in Europa – nicht verzichten wollen. Diese machtpolitischen Erwägungen scheinen auch der Bundesregierung wichtiger zu sein als eigene Ankündigungen. Dem Bündnis, das in Büchel protestiert, geht es nicht um eine machtpolitisch austarierte Reduzierung der Atomwaffen. Alle jetzigen Atomwaffen könnten die Welt 20mal zerstören. Bei Verhandlungen, nach denen die Welt »nur« noch 15mal zerstört werden kann, bleibt ein bitterer Nachgeschmack.
Ihre Partei dürfte wenig ausrichten können, damit der Fliegerhorst Büchel geschlossen wird.
Wichtiger als Mehrheiten im Parlament ist der Druck aus der Bevölkerung. Beim Organisieren dieses Drucks kann eine parlamentarische Linke eine wichtige Rolle spielen: Meine Erfahrung zeigt, daß die Präsenz von Parlamentariern bei Protesten einen gewissen Schutz gegen allzu große Repression bietet und daß es für uns als Abgeordnete etwas leichter ist, Themen in den Medien zu plazieren. Es ist Aufgabe der Linken, außerhalb und innerhalb der Parlamente mit dazu beizutragen, aus einer demoskopischen Mehrheit gegen Atomwaffen auch eine breite Mobilisierung für eine atomwaffenfreie Welt und eine aktive Friedenspolitik entstehen zu lassen.
Interview: Markus Bernhardt
* Aus: junge Welt, Samstag, 10. August 2013
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