Setzen Sie sich mit uns für eine weitere nukleare Abrüstung ein!
Ein Appell an alle Bundestagsabgeordneten - Stellungnahme der Middle-Powers-Initiative
Kornwestheim/Bonn, 12. Dezember 2001
Sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrter Abgeordneter,
Der Trägerkreis "Atomwaffen abschaffen - bei uns anfangen", ein bundesweites Bündnis aus über 40 gesellschaftlichen Gruppen, begrüßt die von den USA und Russland im November angekündigte Reduzierung ihres Atomwaffenarsenals auf 1700-2200 strategische Atomwaffen. Leider sind die taktischen Atomwaffen, wie sie auch in Deutschland noch stationiert sind, von den angekündigten Abrüstungsvereinbarungen ausgespart worden.
Die Form eines unverbindlichen "Gentlemen´s agreement" halten wir in dieser Überlebensfrage der Menschheit für völlig unzureichend. Es fehlt die vertragliche Umsetzung dieser Bemühungen, die die Verifizierbarkeit sowie die Unumkehrbarkeit dieser Maßnahmen garantiert. Wir sehen darin die Gefahr einer Aushöhlung des Völkerrechts und den Bruch internationaler Verpflichtungen zur nuklearen Abrüstung. Der Unilateralismus seitens der USA, wie wir ihn bereits mit der B- und C-Waffenkonvention sowie bei der wahrscheinlichen Aufgabe des ABM-Vertrags erleben, bringt diese wichtigen Rüstungskontrollvereinbarungen der 70er und 80er Jahre an den Rand des Scheiterns. Die bisherige Ablehnung der Ratifizierung des Atomteststopp-Vertrags verstärkt diesen Eindruck. Selbst ein Einsatz von Atomwaffen im Afghanistankrieg wird bzw. wurde von führenden Personen der Bush-Administration nicht ausgeschlossen.
Der Trägerkreis Atomwaffen abschaffen befürwortet daher einen vertraglichen Abschluss der Abrüstungsinitiative.
Die Bush/Putin-Initiative und die Gefahr eines Einsatzes von Atomwaffen im Mittleren Osten machen eines gleichermaßen deutlich: Jedes Land ist in der Verantwortung, ja in der Verpflichtung, die atomare Gefahr einzudämmen. Trotz der beabsichtigten Reduzierung der strategischen Potentiale um ca. zwei Drittel werden auch nach 10 Jahren noch immer genug atomare Waffen allein der USA und Russlands vorhanden sein, um die Existenz der Menschheit auszulöschen.
Wir erinnern an das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes von 1996, in dem die Androhung mit und der Einsatz von Atomwaffen als völkerrechtswidrig erklärt und die Verpflichtung der Atomwaffenmächte zur vollständigen nuklearen Abrüstung betont bzw. erneuert wurde.
Wir fühlen uns ermutigt durch die jüngste Erklärung von Friedensnobelpreisträgern, die "sich dazu verpflichten, für die Abschaffung aller Massenvernichtungswaffen zu arbeiten." Darunter befinden sich: Adolfo Pérez Esquivel, Lech Walesa, Desmond Tutu, Oscar Arias, Rigoberta Menchú Tum, Joseph Rotblat und José Ramos-Horta.
Am 12.Dezember 1979, also genau heute vor 22 Jahren, wurde der Nato-Doppelbeschluss gefasst, der zu den bisher größten Protesten der Friedensbewegung in Deutschland führte. Die im Jahre 1983 folgende Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen wurde durch den am 7. Dezember 1987 ratifizierten INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces) beendet. Erstmals in der Geschichte wurde tatsächlich ein Waffensystem vollständig abgerüstet und umfassende Verifizierungsmaßnamen vereinbart. Bis dahin hatten Abrüstungsverhandlungen lediglich dazu gedient, die Aufrüstung zu beschränken. Der INF-Vertrag ist damit ein Modell dafür, wie Abrüstung funktionieren kann.
Auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt, die uns allen mehr Sicherheit verspricht, appellieren wir an Sie, sich als Abgeordnete/r vorrangig für das Ende der nuklearen Teilhabe, die auch durch Bundeswehrsoldaten in Büchel ausgeübt wird, sowie den Abzug und die Verschrottung der in Deutschland gelagerten Atomwaffen einzusetzen. Diese Schritte müssen völkerrechtlich verbindlich und unumkehrbar gestaltet werden.
Der Trägerkreis begrüßt die Erklärung der Middle Power Initiative, die wir diesem Brief anschließen. Die Middle Power Initiative bietet einen Weg an, den festgefahrenen Abrüstungsprozess voranzutreiben, indem sich gleichgesinnte mittelgroße Staaten mit Unterstützung der Zivilgesellschaft zusammen für die Abschaffung aller Atomwaffen einsetzen. Wir erwarten, dass Deutschland diese Initiative zukünftig unterstützt.
Wir hoffen, dass Sie sich mit uns für weitere nukleare Abrüstung einsetzen
Mit friedlichen Grüßen
Roland Blach, Geschäftsführer
TRÄGERKREIS "ATOMWAFFEN ABSCHAFFEN! BEI UNS ANFANGEN!"
Aktionskreis für Frieden, Erfurt; Arbeitsgruppe NPT im Netzwerk Friedenskooperative; Arbeitskreis Darmstädter Signal; Arbeitskreis für Friedenspolitik - Atomwaffenfreies Europa; Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen; Bundesausschuss Friedensratschlag; Bundesverband Christliche Demokraten gegen Atomkraft (CDAK), CDU/CSU - Mitglieder für die Überwindung der Kernenergie (CDAK); Darmstädter Friedensforum; Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK); Deutscher Friedensrat; Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW); Deutsche Sektion des International Network of Engineers and Scientists Against Proliferation (INESAP); Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik; Evangelische StudentInnengemeinde in Deutschland (ESG); Frauen für den Frieden; Friedensgruppe Harburg-Land; Friedensinitiative (FI) Berlin-Wilmersdorf; FI Neustadt/Weinstraße; FI Ramelsloh e.V.; Friedensweg, Leipzig; Friedens- und Begegnungsstätte Mutlangen; Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen (GAAA); Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung e.V.; Helsinki Citizens Assembly; Hiroshima-Arbeitsgemeinschaft, Kiel; IG Metall Jugend; Initiative für Frieden (IFIAS); Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF); Internationaler Versöhnungsbund (Deutscher Zweig); Interessengemeinschaft EntRüstung Rostock; Juristinnen und Juristen gegen Atomwaffen (IALANA); Komitee für Grundrechte und Demokratie; Künstler in Aktion (KIA); NaturwissenschaftlerInnen-Initiative "Verantwortung für Friedens- und Zukunftsfähigkeit"; Nuclear Free Future Award; Ohne Rüstung Leben (ORL); Pax Christi; Sächsische Friedensinitiative Dresden; Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW); Warenshof
Mitglied des "Abolition 2000 - A Global Network for the Elimination of Nuclear Weapons"
Kontaktadresse: Trägerkreis "Atomwaffen abschaffen! Bei uns anfangen!" Lenzhalde 53, 70806 Kornwestheim; 0 7154 - 2 20 26; Fax: 0 71 54 - 18 66 43,
traegerkreis@gmx.de, www.friedenskooperative.de/themen/abschaff.htm
Anlage
Stellungnahme der Middle Powers Initiative vom 27.11.01 zu den Gesprächen zwischen Bush und Putin
Auf dem Gipfel von Bush und Putin, der vom 13.-15. November stattfand, kündigte Präsident Bush an, einseitig das US-amerikanische strategische Atomwaffenarsenal innerhalb der nächsten zehn Jahre von ungefähr 7.000 auf 1.700 bis 2.200 Atomwaffen zu reduzieren. Präsident Putin kündigte für Russland ähnliche Abrüstungsschritte an. Dagegen blieb der große Bestand taktischer Atomwaffen auf beiden Seiten unerwähnt.
Diese Ankündigungen wurden durch die Medien fast durchweg als wichtiger Schritt bewertet. Die Japan Times stellte z.B. am 16. November fest: "Ein riesiger Schritt in Richtung Abrüstung erfuhr die Welt in dieser Woche, als US Präsident George W. Bush und sein russischer Kollege Präsident Wladimir Putin sich darauf einigten, ihr Atomwaffenarsenal zu dezimieren."
Wir begrüßen die positiven Beziehungen zwischen den beiden Präsidenten. Gleichsam: Während jeder Einschnitt in die Atomwaffenarsenale Schritte in die richtige Richtung darstellen, sind wir besorgt darüber, dass dieser angekündigte Rüstungsabbau weder die Dringlichkeit noch die Vollständigkeit der 13 praktischen Schritte widerspiegelt, die auf der letztjährigen Konferenz zum Nichtverbreitungsvertrag beschlossen wurden. Die geplante Reduzierung geht auch nicht auf die Vorbeugung von Atomunfällen und das Risiko ein, dass Atomwaffen in die Hände von Terroristen fallen können. Vor allem ist als Erkenntnis notwendig, dass Atomwaffen keine Sicherheit bringen und die nukleare Abschreckung in der aktuellen Weltkrise irrelevant bleibt.
Putin hatte zuvor eine Reduzierung der russischen strategischen Atomwaffen auf 1500 oder weniger in START III Verhandlungen angeboten. Berater Putins hatten wissen lassen, dass die Zahl sogar auf 1000 oder weniger zurückgefahren könnte. Dagegen ging der US-Plan nicht mal auf das zuvor von Russland eingebrachte Niveau ein. Nach dem gegenwärtigen Plan Putins und Bush werden sich in zehn Jahren immer noch genug strategische Atomwaffen in den Arsenalen der beiden Länder befinden, um alles Leben auf diesem Planeten zu zerstören.
Die vorgeschlagene Anzahl der Atomsprengköpfe widerspricht der Behauptung Bushs, Russland nicht mehr als Feind zu betrachten und deutet eher auf eine Rationalisierung und Modernisierung der nuklearen Abschreckung hin als auf ernsthafte Bemühungen, den Verpflichtungen beider Staaten nachzukommen, ihre Atomwaffenarsenale vollständig abzurüsten. Die vorgeschlagenen Abrüstungsschritte spiegeln die Absicht der beiden Länder wider, ihre Sicherheit auch zukünftig auf Atomwaffen aufzubauen.
[...] Die beiden Staaten hatten sich zunächst mit dem START II Vertrag darauf geeinigt, ihr Arsenal auf jeweils 3.500 strategische Atomwaffen bis 1. Januar 2003 abzubauen. Clinton und Jelzin verlängerten diese Frist zum 31. Dezember 2007. Jetzt soll es nach den Plänen Bushs und Putins vier weitere Jahre dauern, um die Arsenale auf 1.700 bis 2.200 zu reduzieren.
Einseitige Abrüstungsschritte sind nicht bindend. Einseitige Kürzungen könnten später einseitig revidiert werden.
Dies widerspricht den vertraglich zugesicherten Prinzipien der Unumkehrbarkeit aus dem Nichtverbreitungsvertrag. Mit den jetzigen Plänen ist es für beide Länder möglich, die Plutoniumkerne der Waffen zu behalten, um es im Falle einer Wiederaufrüstung in der Zukunft erneut zu nutzen.
Einseitige Abrüstungsschritte neigen ausserdem dazu, die Bedeutung des internationalen Recht zu unterlaufen, indem der multilaterale Abrüstungsprozess umgangen wird. Die Führerschaft der USA und Russlands müssen die Bemühungen der internationalen Abrüstungskontrolle unterstützen, wie z.B. der Konferenz zur Inkraftnahme des umfassenden Atomteststopp-Vertrages, die aber die USA kürzlich boykottierte.
Putin wies darauf hin, er würde es vorziehen, jede Vereinbarung zur nuklearen Abrüstung zwischen den beiden Ländern schriftlich festzuhalten. Wir stimmen darin überein, dass damit der Abrüstungsprozess gestärkt würde, insbesondere durch die Klausel über Unumkehrbarkeit, Transparenz und Verifikation.
Die beiden Präsidenten verpassten es, die Alarmbereitschaft ihrer Atomwaffenarsenale zu erwähnen. Gegenwärtig befinden sich in beiden Staaten etwa 2250 strategische Atomwaffen in ständiger Höchstalarmbereitschaft, jederzeit bereit, in wenigen Minuten eingesetzt zu werden. Dieser Zustand ist zehn Jahre nach Ende des Kalten Krieges völlig sinnlos. Damit wird ein Atomkrieg aus Versehen wahrscheinlicher. So wurde der Start eines US-norwegischen Satelliten im Jahre 1995 von Russland versehentlich als Angriff auf das eigene Land bewertet.[...]
Die beiden Präsidenten verpassten auch, über die taktischen Atomwaffen zu sprechen. Diese Waffen könnten am ehesten in einem Krieg eingesetzt werden und in die Hände von Terroristen fallen.[...]
Bush hatte gehofft, zu einer Vereinbarung mit Putin über das Ende des ABM-Vertrages zu gelangen, um es ihm zu erlauben, see-, luft- und weltraumgestützte Raketenabwehrsysteme zu testen. Putin hielt jedoch vielmehr an der Aufrechterhaltung dieses Vertrages fest, der für ihn "ein Meilenstein der strategischen Sicherheit" darstellt. Diese Meinung Putins deckt sich [...] mit dem Schlussdokument der letztjährigen Konferenz zum Nichtverbreitungsvertag, das "den ABM-Vertrag als Meilenstein der strategischen Sicherheit" bezeichnete und "aufforderte ihn als Grundlage für weitere Abrüstungsschritte im Bereich strategischer offensiver Waffen zu bewahren und stärken."
Wir würden vorschlagen, dass Bush und Putin die Fragen der atomaren Abrüstung auf ihrem nächsten Treffen im März 2002 in Moskau in einem breiteren Rahmen besprechen.
Speziell empfehlen wir die folgenden Punkte:
-
In Vorbereitung des Moskauer Treffens überprüfen sie das Schlussdokument der letztjährigen Konferenz zum Nichtverbreitungsvertrag vollständig, besonders die darin aufgeführten 13 praktischen Schritte.
- Die Reduzierung strategischer Waffen sollte dringlicher gemacht und der Öffentlichkeit entsprechend dargestellt werden
- Diese Reduzierungen sollten in einen START III Vertrag münden, der die Vereinbarung zur Überprüfung, Transparenz und Unumkehrbarkeit enthält.
- Die Politik der ständigen Alarmbereitschaft sollte auf die Tagesordnung gebracht werden mit dem Ziel, sie zu beenden.
- Taktische Atomwaffen sollten auf die Tagesordnung gebracht werden mit dem Ziel, sie vollständig abzuschaffen.
- Der ABM-Vertrag sollte als "Meilenstein der strategischen Stabilität" aufrechterhalten und gestärkt werden.
- Eine Auflistung mit allen Atomwaffen und sämtlichem spaltbarem Material weltweit, beginnend mit der Anzahl und der Menge der USA und Russlands, sollte aufgebaut und bewahrt werden.
- Diese Auflistung sollte die Sicherheit und die Beseitigung von Atomwaffen und spaltbarem Material stärken, damit diese nicht in unerlaubte Hände geraten.
- Die beiden Präsidenten unterstützen die Ratifizierung des vollständigen Atomteststopp-Vertrag durch alle Staaten, die für ein Inkrafttreten wichtig sind.
- Die beiden Präsidenten selbst leiten eine internationale Konferenz ein, die "die unmissverständliche Verpflichtung der Atomwaffenstaaten" umsetzt, " die vollständige Abrüstung ihrer Atomwaffenarsenale zu vollenden."
Die Middle Power Initiative bietet einen Weg an, den festgefahrenen Abrüstungsprozess voranzutreiben, indem sich gleichgesinnte mittelgroße Staaten mit Unterstützung der Zivilgesellschaft zusammen für die Abschaffung aller Atomwaffen einsetzen.
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