Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Biden auf Frontbesuch

US-Vizepräsident für NATO-Beitritt von Ukraine und Georgien

Von Knut Mellenthin *

Mit einem viertägigen Besuch in den »Frontstaaten« Ukraine und Georgien hat US-Vizepräsident Joseph Biden unterstrichen, daß die Einflußzone der USA und der NATO bis direkt an die Grenzen Rußlands reicht. Was am Montag im ukrainischen Kiew begann, wurde am Donnerstag in Tblissi mit einem Bekenntnis zur »territorialen Integrität Georgiens«, also zur Rückgewinnung der unabhängigen Republiken Südossetien und Abchasien, abgeschlossen. Das unbedingte Recht auf Beitritt zum westlichen Bündnis verteidigte der Gast aus USA nicht nur in Georgien, wo sich Regierung und Opposition gegenseitig in Pro-NATO-Bekenntnissen den Rang abzulaufen versuchen, sondern auch in der Ukraine, obwohl dort die Mehrheit der Bevölkerung dagegen ist.

In beiden Gastländern war Biden darauf bedacht, sich an das gesamte parteipolitische Spektrum zu wenden und zur Überwindung der Streitigkeiten aufzurufen. In der Ukraine traf er neben Präsident Viktor Juschtschenko auch alle vier Kandidaten, die bei der Wahl im kommenden Jahr gegen den Amtsinhaber antreten wollen, darunter Juschtschenkos frühere Mitstreiterin und jetzige Rivalin, die Regierungschefin Julia Timoschenko. In Tbilissi empfing Barack Obamas Vize nach dem offiziellen Staatsakt mit Präsident Michail Saakaschwili auch die führenden Oppositionspolitiker Nino Burdschanadse und Irakli Alasania sowie Levan Gachechiladse, der im Januar 2008 als Oppositionskandidat gegen Saakaschwili angetreten war, und den christdemokratischen Minderheitsführer im Parlament, Giorgi Targamadse. Von den 31 Abgeordneten der Opposition, die im Mai 2008 ins Parlament gewählt wurden, hat die Mehrheit die Annahme ihrer Mandate verweigert, da die Wahlen manipuliert und gefälscht gewesen seien.

In einem geschickten Schachzug hatte Präsident Saakaschwili am Montag (20. Juli) in einer Parlamentsrede eine Reihe von innenpolitischen »Angeboten« – die meisten davon nicht wirklich neu – zusammengefaßt und die Opposition zur Zusammenarbeit eingeladen. Dazu gehört die Vorverlegung der Gemeindewahlen vom Herbst 2010 auf den Mai. Gleichzeitig soll das Wahlrecht geändert, die Zentrale Wahlkommission neu besetzt werden. Das Recht des Präsidenten zur Auflösung des Parlaments soll eingeschränkt werden. Andererseits soll aber die starke Stellung des Staatsoberhaupts erhalten bleiben. Das sei, so Saakaschwili mit Bezug auf Südossetien und Abchasien, »lebenswichtig in einer Zeit, wo ein großer Teil des Landes besetzt ist«.

Am Dienstag (21. Juli) hatte Saakaschwili den dringenden Wunsch nach US-amerikanischen Waffenlieferungen geäußert. In den Vordergrund stellte er dabei Systeme zur Bekämpfung von Panzern und Flugzeugen. Die US-Regierung hatte Georgien nach dem von Saakaschwili angezettelten Krieg im August 2008 zwar eine Milliarde Soforthilfe gewährt, sich aber bei der damals nur vage versprochenen Wiederaufrüstung und Modernisierung der georgischen Streitkräfte bisher zögerlich verhalten. Saakaschwili drückte das jetzt so aus: »Ich denke, die Entschlossenheit, uns zu helfen, ist da. Es geht darum, den Prozeß zu beschleunigen. (...) Wir wollen, daß es unser Land noch gibt, wenn diese Dinge hier einzutreffen beginnen. « Sollte Georgien das Gewünschte nicht schnell erhalten, würde das von Rußland als Angriffssignal verstanden, behauptete Saakaschwili.

Unterdessen hat die russische Regierung davor gewarnt, Georgien für einen Revanchekrieg aufzurüsten. Moskau werde »konkrete Maßnahmen« ergreifen, um das zu verhindern, warnte der stellvertretende Außenminister Grigori Karasin am Donnerstag. Anläßlich des ersten Jahrestags des Überfalls auf Südossetien am 7. August sei die Inszenierung von provokatorischen Grenzzwischenfällen zu befürchten.

* Aus: junge Welt, 24. Juli 2009


Zurück zur Ukraine-Seite

Zur USA-Seite

Zur Georgien-Seite

Zur NATO-Seite

Zurück zur Homepage