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US-Pleite aufgeschoben

Etatstreit und gigantische Staatsverschuldung: Nach Einigung im Kongreß sind grundsätzliche Streitpunkte zwischen den Parteien lediglich vertagt

Von Rainer Rupp *

In Washington ist es ein wenig ruhiger geworden. Nachdem sich Demokraten und Republikaner am Donnerstag im US-Kongreß geeinigt hatten, den selbstzerstörerischen Kampf um die Schuldenobergrenze und die Schließung der Regierungsgeschäfte zu beenden, scheint die Krise entschärft. Vorläufig. Von einem Kompromiß kann jedoch keine Rede sein. Die »Grand Old Party« (Republikaner) konnte keine einzige ihrer Forderungen durchsetzen, Barack Obama bekam alles. Der Bluff des Präsidenten, erst dann mit der Gegenseite zu verhandeln, wenn diese zuvor ihre Blockade gegen den Haushalt und Neuverschuldung aufgegeben hat, war erfolgreich. Zu diesem Erfolg trugen auch die großen Medien mit ihrer auf den 17. Oktober fokussierten Panikmache bei. Völlig aus der Luft gegriffen wurde dieser Termin zur letztmöglichen Chance erklärt, den Staatsbankrott zu verhindern. Das verfehlte nicht die gewünschte Wirkung auf die US-Bevölkerung. Viele ihrer Sympathisanten wurden so zu Kritikern der Republikaner. Dennoch stehen nach jüngsten Umfragen immer noch 30 Prozent der Bürger hinter der konservativen »Tea Party«-Bewegung und widersetzen sich der Politik des Weißen Hauses, die auf über 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegenen Staatsverbindlichkeiten mit noch mehr neuen Schulden zu bezahlen.

Trotz Obamas taktischem Sieg über die Republikaner sind die anstehenden Haushalts- und Schuldenprobleme nicht vom Tisch. Da der Präsident seinen Kontrahenten keine Zugeständnisse gemacht hat, bekam er von denen auch nichts – außer einer Vertagung der Probleme auf Dezember, Januar und Februar. Beide Seiten hatten sich lediglich darauf geeinigt, die letzte Schuldenobergrenze von 16,7 Billionen (16700 Milliarden) US-Dollar aufzuheben und eine neue erst am 7. Februar 2014 einzuziehen. Das erlaubt dem Finanzministerium, bis dahin entstehende Haushaltsdefizite durch neue Anleihen zu decken. Zugleich wurde die US-Bundesverwaltung am Donnerstag dieser Woche wieder komplett geöffnet – sie wird bis 15. Januar finanziert. Für den Fall, daß bis dahin kein Etatkompromiß der beiden Parteien vorliegt, könnte also der nächste »Shutdown« (Schließung) der US-Regierung drohen. Um das zu verhindern, soll schnellstmöglich ein neuer Haushaltsvermittlungsausschuß gegründet werden, der sich auf längerfristige Ausgabenkürzungen, insbesondere im sozialen Bereich, einigen soll. Dessen Empfehlungen sollen bis Mitte Dezember vorliegen.

Dieser Ausschuß, der sich aus Abgeordneten beider Kammern des Kongresses zusammensetzt, erinnert an jenes »Superkomitee«, das im Jahr 2011 gegründet wurde, um ähnliche Probleme zu lösen. Als dieses keinen Kompromiß zustande brachte, wurden vor dem Hintergrund der sogenannten Fiskalklippe 2012 tiefgreifende und automatische Budgetkürzungen nach der Rasenmähermethode ausgelöst, bekannt unter dem Begriff »Sequester«. Gegen die Sequester-Kürzungen im Haushaltsjahr 2014 hatte sich Obama ebenfalls in den zurückliegenden Monaten eingesetzt.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Zusammensetzung des Kongresses und seiner mehr als dürftigen Erfolgsbilanz dürfte in den kommenden Wochen und Monaten eine weitreichende Etatübereinkunft eher unwahrscheinlich sein. Es gibt bereits Anzeichen dafür, daß sich die Anhänger der Tea-Party-Truppe nicht geschlagen geben, gegen »Verräter« aus den eigenen Reihen vorgehen und die kompromißbereiten Anführer in Senat und Repräsentantenhaus durch eigene Leute ersetzen wollen.

Zugleich ist die politische Einflußnahme von Konzernlobbyisten auf die Republikaner mit dem Aufstieg der Tea Party weniger erfolgreich als früher, wie jüngst von der New York Times festgestellt wurde. Die von Obama mit viel Geld hochgepäppelte Finanzindustrie ist ein »rotes Tuch« für die Tea-Party-Anhänger. Der früher herrschende Konsens zwischen Demokraten und Republikanern, die lediglich den rechten und linken Flügel der Einheitspartei des US-Kapitals darstellten, ist brüchig geworden.

Von Haushaltskrise zu Haushaltskrise hat die politische Oligarchie der USA in den letzten Jahren immer nur an den Symptomen herumkuriert, aber nie die Ursachen der Krankheit behandelt. Insbesondere die enormen Ausgaben zur Aufrechterhaltung der globalen Hegemonie, die Kosten für Militär, Geheimdienste und Heimatschutz haben zur aktuellen Verschärfung der Finanz- und Wirtschaftskrise geführt. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Kein Wunder, daß China als größter Finanzier der USA kalte Füße bekommt und die staatliche Nachnichtenagentur Xinhua jüngst zu einer weltweiten »Entamerikanisierung« der globalen Finanz- und Handelsmärkte aufgerufen hat.

* Aus: junge Welt, Samstag, 19. Oktober 2013


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