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Neuer Anlauf in Guantanamo?

USA-Regierung muss erstmals Namen aller Gefangenen veröffentlichen

Von Olaf Standke *

Vor fünf Jahren wurde Barack Obama in Berlin als Heilsbringer gefeiert. Nach seiner ersten Amtszeit herrscht vor allem Ernüchterung über den einstigen Hoffnungsträger – auch, weil er sein großes Wahlversprechen Guantanamo-Schließung nicht erfüllt hat. Nun unternimmt der USA-Präsident einen neuen Anlauf.

Die Obama-Regierung hat wieder einen Beauftragten für die Schließung des international scharf kritisierten Gefangenenlagers auf dem US-amerikanischen Stützpunkt Guantanamo. Am Montag (Ortszeit) betraute das State Departement den Juristen Cliff Sloan mit dieser, wie man nach Obamas erster Amtszeit weiß, heiklen Aufgabe. Ende Januar hatte der Diplomat Daniel Fried seinen Hut als Sondergesandter genommen; der Posten blieb vakant.

In einer Grundsatzrede zum Antiterrorkampf erneuerte der wiedergewählte Präsident dann Ende Mai sein Versprechen, das Lager aufzulösen. Der Kongress müsse seinen Widerstand gegen die Schließung aufgeben und Prozesse gegen die restlichen Insassen vor Militärtribunalen in den USA ermöglichen. Das Pentagon wurde inzwischen mit der Suche nach einem geeigneten Standort beauftragt. Dutzende jemenitische Gefangene sollen zudem bald in ihre Heimat zurückkehren dürfen. Sloans Ernennung zeige das Engagement der Regierung für die Schließung von Guantanamo, sagte Außenamtssprecherin Jennifer Psaki gestern.

Noch immer sitzen 166 Menschen, meist ohne Anklage und Prozess, im Lager ein, von denen 86 nicht einmal mehr als bedrohlich eingestuft werden. Viele von ihnen befinden sich seit Monaten im Hungerstreik, um gegen ihre Haftbedingungen zu protestieren. 46 Gefangene werden als »unbefristete Häftlinge« geführt. Sie seien zu gefährlich, um freizukommen, könnten aber auch nicht vor Gericht gestellt werden, weil sie mit brutalen Verhörmethoden wie dem als Folter eingestuften »Waterboarding« vernommen worden sind. So gewonnene Informationen dürfen nicht vor Gericht verwendet werden. Die Zeitungen »New York Times« und »Miami Herald« hatten diese Veröffentlichung durchgesetzt. Die Menschenrechtsgruppe Human Rights First erklärte, die Enthüllungen seien »begrüßenswert, wenn auch längst überfällig«.

Derweil sind nach fast viermonatiger Pause fünf mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 in Guantanamo für eine Anhörung wieder vor einem Militärtribunal erschienen. Ein Datum für die Hauptverhandlung steht noch nicht fest.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 19. Juni 2013


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