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Bush in Asien

In China gibt es wenigstens keine Proteste - Aber auch so wird es kein ungetrübter Besuch

Im Folgenden dokumentieren wir zwei Artikel aus der Tageszeitung "junge Welt". Sie erschienen aus Anlass des bevorstehenden Besuchs des US-Präsidenten George W. Bush in China.



Härtere Gangart

US-Präsident Bush wird in Peking zum zweiten Staatsbesuch erwartet. Im Vorfeld verstärkte Washington den Druck auf die Volksrepublik China

Von Wolfgang Pomrehn

US-Präsident George W. Bush ist auf großer Asien-Tour. Am morgigen Samstag wird er in Peking zu seinem zweiten Staatsbesuch erwartet. Zuletzt war er im Februar 2002 in der Volksrepublik, genau 30 Jahre nach Richard Nixons legendärer China-Reise. Vor dreieinhalb Jahren wurde noch euphorisch die Schanghai-Erklärung der Staatschefs Mao Zedong und Nixon gefeiert, China war gerade zum Partner in Bushs »Krieg gegen den Terror« avanciert. Doch seitdem sind die Beziehungen komplizierter geworden. Zwischenzeitlich hat sich Peking Bushs Feldzug gegen den Irak widersetzt. Außerdem sind eine Reihe handelspolitischer Streitfälle hochgekocht. Die werden, geht es nach dem Willen der US-Seite, im Vordergrund der Gespräche stehen; garniert mit ein wenig Propaganda. Eine Rede vor japanischen Geschäftsleuten nutzte Bush am Mittwoch [16.11.2005], um von China mehr Demokratie zu fordern, wobei der US-Präsident ausgerechnet auf die Beispiele Taiwan und Südkorea verwies. Beide wurden bis Ende der 1980er Jahre von US-gestützten blutigen Militärdiktaturen regiert, die erst durch massive Arbeiter- und Studentenproteste zu Fall gebracht wurden. Daß Bush seine Belehrungen gen Peking ausgerechnet in Japan äußerte, dessen Beziehungen zu China gespannt sind, kann als zusätzlicher Affront gegenüber China gewertet werden.

Streit über Wechselkurs

Ein Hintergedanke könnte dabei gewesen sein, den Durck in ökonomischen Fragen zu erhöhen. Seit fast zwei Jahren liegt Washington Peking in den Ohren. Die US-Führung hält das chinesische »Volksgeld« (Renminbi, die Währungseinheit heißt Yuan) für zu niedrig bewertet. Dadurch würde die chinesische Exportwirtschaft unfaire Vorteile erhalten, lautet der ewige Vorwurf. 2004 hatte Chinas Handelsbilanzdefizit mit den USA nach deren Berechnungen 164 Milliarden US-Dollar betragen. Ein Teil der US-Industrie drängt daher auf Sanktionen gegen chinesische Importwaren. China hatte am 21. Juli den Yuan nach langem Drängen um 2,1 Prozent gegenüber dem Dollar aufgewertet und das Wechselkursregime ein wenig flexibler gestaltet. Bush bezeichnete im Vorfeld des China-Besuchs diese Aufwertung als einen wichtigen Schritt, wird aber in Peking auf weitere Maßnahmen dringen. Allerdings gibt es auch in Peking ein gewisses Eigeninteresse an einem stärkeren Yuan.

Der Handelsstreit spielt sich vor dem Hintergrund von Veränderungen in der US-Außenpolitik ab. Die Bush-Regierung pendelt seit ihrem ersten Amtsantritt vor fast fünf Jahren zwischen einer kooperativen und einer konfrontativen Politik gegenüber der Volksrepublik hin und her. Seit Anfang 2005 melden sich wieder die Befürworter einer härteren Gangart verstärkt zu Wort. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat in jüngster Zeit bei verschiedenen Gelegenheiten der chinesischen Regierung unterstellt, mit ihrer militärischen Modernisierung eine Bedrohung für andere Staaten darzustellen. Im Februar hat er mit seinem japanischen Amtskollegen eine entsprechende Erklärung verabschiedet. Am 4. Juni hatte er auf einer Konferenz in Singapur Chinas Aufrüstung erneut scharf angegriffen und behauptet, China, das von US-Stützpunkten nahezu umzingelt ist, würde von keinem anderen Staat bedroht.

Nächster Halt Mongolei

Nur nördlich der chinesischen Grenzen stehen bisher keine US-Truppen. Von Peking wird Bush daher in die Mongolei weiterreisen. Das kleine Land mit nur 2,5 Millionen Einwohnern, dessen Reichtum aus diversen Bodenschätzen und 20 Millionen Schafen und Ziegen besteht, hat in letzter Zeit wegen seiner strategischen Lage an den Grenzen Chinas und in Nachbarschaft zu Rußlands sibirischen Ölquellen besonders viel US-Aufmerksamkeit bekommen. Von dort ist es nach Peking nur ein Katzensprung, aber noch scheint ein US-Militärstützpunkt in der mongolischen Steppe nur eine skurrile Idee.



USA und China: Wechselhafte Beziehungen
  • Frühe Annäherung: Auf dem Höhepunkt des Vietnamkrieges, den die USA drei Jahre später verlieren, besucht im Februar 1972 US-Präsident Richard Nixon die Volksrepublik China, zu der es bis dahin keine diplomatischen Beziehungen gibt. Die USA sind daran interessiert, den Graben zwischen China und der Sowjetunion zu vertiefen. Chinas KP-Vorsitzender Mao Zedong sieht zu diesem Zeitpunkt in der Sowjetunion und den USA die Hauptgegner der Völker der Welt.
  • Streit um Taiwan: Die USA erkennen die Volksrepublik China 1979 an und beenden ihre diplomatische Unterstützung für die »Republik China« auf Taiwan. Die Militärhilfe wird allerdings nie eingestellt und ist seitdem einer der ständigen Streitpunkte in den wechselhaften Beziehungen zwischen Washington und Peking.
  • US-Militärbasen in Chinas Nachbarschaft: Guam (US-Kolonie im Westpazifik), Okinawa (Japan), Südkorea, Kirgisien, Afghanistan, Tadschikistan und Pakistan. Militärische Beziehungen zu Indien, Sri Lanka, Thailand und Singapur. Anfang des Jahres berichtete die Strait Times in Singapur von Verhandlungen zwischen den USA und Indonesien über einen Stützpunkt auf Sulawesi. Jakarta dementiert bisher.
  • Falken werden lauter: 2004 legt eine von der US-Regierung eingesetzte unabhängige Kommission einen Bericht vor, wonach Chinas militärisches Potential 20 Jahre hinter dem der USA hinterherhinkt. Auch über die nächsten 20 Jahre hinaus werde »die Balance zwischen den USA und China, sowohl global als auch in Asien, wahrscheinlich entschieden zum Vorteil der USA ausfallen«. Dennoch behauptete US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld Anfang 2005, die chinesische Marine, die derzeit nur einen einzigen, veralteten Flugzeugträger besitzt, könne schon in zehn Jahren die US-Navy überholen. Im Juli verschärfte das Pentagon seinen Ton mit einem »Weißbuch« über Chinas Aufrüstung weiter.



Einbindung versus Einkreisung

Unter US-Präsident Bush pendelt Washingtons China-Politik zwischen Partnerschaft und Konfrontation

Von Wolfgang Pomrehn


Das Verhältnis der USA zur Volksrepublik China sei durchwachsen, meinte US-Präsident George W. Bush in der vergangenen Woche vor Journalisten in Washington, als diese ihn zu seiner bevorstehenden Asienreise befragten. Damit hat er die komplizierte Lage zwischen den beiden Pazifik-Großmächten auf den Punkt gebracht: Man spricht miteinander, kooperiert auf manchem Gebiet, streitet sich über Handels- und Währungspolitik, beäugt mißtrauisch die militärischen Rüstung des jeweils anderen und gerät in immer stärkere wechselseitige ökonomische Abhängigkeit. Auf jeden Fall sind die Beziehungen zwischen Peking und Washington weniger gespannt, als viele nach dem ersten Wahlsieg Bushs befürchtet hatten.

Als Bush im Januar 2001 ins Amt eingeführt wurde, sah alles danach aus, daß nun die Falken die US-amerikanische China-Politik neu definieren würden. Ein Vorfall gleich zu Beginn seiner ersten Amtszeit demonstriert das besonders deutlich: Am 1. April 2001 stieß vor der südchinesischen Küste ein US-Aufklärungsflugzeug mit einem chinesischen Abfangjäger zusammen. Dessen Pilot starb dabei, während das US-Flugzeug auf der nahe gelegenen Insel Hainan landen mußte. Die chinesischen Behörden hielten die 24 Besatzungsmitglieder elf Tage lang fest und ließen es sich nicht nehmen, die US-Spionagetechnik eingehend zu untersuchen. Die Affäre führte zu einem diplomatischen Schlagabtausch. Bereits in den Wochen davor hatten Diskussionen über Waffenlieferungen an Taiwan für Verstimmungen gesorgt, und nur wenige Wochen nach dem Spionagevorfall vor Hainan goß der US-Präsident weiteres Öl ins Feuer. In einem Interview mit dem Fernsehsender ABC versprach er, Taiwan gegen einen etwaigen Angriff der Volksrepublik zu verteidigen.

Die Spannungen nahmen in den nächsten Monaten kaum ab. Im August 2001 veröffentlichte der »Rat für Auslandsbeziehungen« einen Bericht mit Empfehlungen für die Politik der neuen US-Regierung in Südostasien, in dem China als Hauptkonkurrent identifiziert wird. Autor war Dov Zakheim, unter US-Präsident Ronald Reagan in den 1980ern Planer im Pentagon und nun Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Die USA, so Zakheim, sollten die Beziehungen mit Indonesien ausbauen, die seinerzeit wegen massiver Menschenrechtsverletzungen in Osttimor 1999 eingestellten Kontakte zum indonesischen Militär wieder aufnehmen und das Land zum wichtigsten Verbündeten gegen China in der Region machen. Alles sah im Sommer 2001 danach aus, als hätten die Hardliner in der US-amerikanischen China-Politik vollends die Oberhand gewonnen, aber es sollte schon bald anders kommen.

Schon in den 1990ern hatte es während der Präsidentschaft William Clintons einen beständigen öffentlichen Streit gegeben, ob es besser sei, an Chinas wirtschaftlichem Aufstieg teilzuhaben und ein partnerschaftliches Verhältnis zu suchen, oder ob gegenüber dem potentiellen Rivalen um die Weltherrschaft ein konfrontativerer Kurs angesagt sei, der die Supermacht in spe frühzeitig in Schach halten sollte. Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte bei den US-Strategen ein Umdenken eingesetzt. Galt zuvor die Volksrepublik als potentieller Bündnispartner in der Auseinandersetzung mit der Sowjetunion, sah man nun zunehmend in ihr einen künftigen Konkurrenten. Der Streit geht lediglich darum, ob man diesen durch eine Politik der Einbindung in die eigenen Pläne (»engagement«) neutralisiert, wie es Clinton vorzog, oder durch militärische Einkreisung und diplomatische Isolierung (»containment«).

Noch im Wahlkampf hatte Bush versprochen, sich an die härtere Linie zu halten und Clintons Engagement-Politik zu beenden. Doch dann – Bush war knapp acht Monate im Amt – wurden die Anschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington verübt. Der US-Regierung boten sich mit dem 11. September 2001 in Nahost und Zentralasien ungeahnte Möglichkeiten, alte strategische Ziele durchzusetzen. China wurde zunächst zum Partner im »Krieg gegen den Terror« und unterstützte den Angriff auf Afghanistan. Der Regierung in Peking fiel das um so leichter, als man sich selbst vom Islamismus bedroht fühlt, der mit der nach nationaler Autonomie strebenden Bewegung in Chinas zentralasiatischer Provinz Xinjiang eine gefährliche Mischung bilden könnte. Als Ergebnis des Afghanistan-Krieges hat die Volksrepublik nun allerdings auch an ihrer Hintertür US-Truppen stehen. Außerdem hat die US-Regierung die Zeit genutzt, um Indien zu umwerben und mit dem einstigen Kriegsgegner Vietnam ein Verteidigungsabkommen abzuchließen. China seinerseits ist nicht untätig. Der Verteidigungshaushalt weist Jahr um Jahr zweistellige Wachstumsraten aus, beträgt aber dennoch zur Zeit nicht viel mehr als zehn Prozent des Budgets, das die US-Kriegsmaschine verschlingt. Auch auf der diplomatischen Ebene ist Peking inzwischen höchst aktiv und hat unter anderem eine beachtliche Annäherung zum einstigen Erzrivalen Indien zustande gebracht.

Aus: junge Welt, 18. November 2005


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