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Bangkok: Zehntausende Demonstranten auf der Straße

Rücktritt der Regierung von Abhisit Vejjajiva und Neuwahlen gefordert


Massenprotest gegen Thailands Regierung

Die Opposition in Thailand hat der Regierung ein Ultimatum gestellt und droht mit neuen Massenprotesten. »Wir verlangen, daß die Regierung das Parlament auflöst und die Macht dem Volk zurückgibt«, sagte einer der Führer der Protestbewegung, Veera Musikapong, am Sonntag (14. März) in Bangkok. Sonst werde die Protestbewegung die Zentren der Regierung mit Menschenmassen lahmlegen. Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva wies die Forderungen in einer Rundfunkansprache zurück. Die Opposition droht mit einem Marsch auf die Kaserne des 11. Infanterieregiments, in der sich Abhisit seit einigen Tagen aufhält. Die Anhänger des 2006 bei einem Militärputsch gestürzten Regierungschefs Thaksin Shinawatra werfen Abhisit vor, illegal an die Regierung gelangt zu sein.

* Aus: junge Welt, 15. März 2010



Massenprotest in Bangkok friedlich fortgesetzt

Oppositionelle "Rothemden" bestehen auf Rücktritt des Premiers **

Kurz vor Ablauf eines Ultimatums von Zehntausenden Regierungsgegnern hat Thailands Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva seinen Rücktritt abgelehnt. »Unsere Koalition ist der Ansicht, dass wir dieser Forderung nicht nachkommen können«, sagte Abhisit am Montag im Fernsehen.

Zehntausende Demonstranten sind in Thailand an ihrem Ziel, die Regierung in die Knie zu zwingen, vorerst gescheitert. Die Demonstranten setzten ihre am Wochenende begonnenen Massenproteste am Montag (15. März) fort, ließen aber ihr Ultimatum zum Rücktritt der Regierung tatenlos verstreichen.

Rund 20 000 Anhänger der Vereinigten Front für Demokratie und gegen Diktatur (UDD) zogen zwar am Morgen vor den Militärstützpunkt, in den sich die Regierung von Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva zurückgezogen hatte. Die Proteste verliefen aber friedlich. Vejjajiva bekräftigte, dass er sich dem Druck der nach der Farbe ihrer T-Shirts benannten Rothemden nicht beugen werde.

Die Protestanführer kündigten für den heutigen Dienstag (16. März) ein symbolisches »Blutvergießen« an, wenn die Regierung sich nicht bewegt. »Wir bitten jeden der 100 000 Demonstranten, einen Kubikzentimeter Blut zu geben«, sagte Nattawut Saikuer, einer der Anführer der UDD. Das gesammelte Blut werde dann literweise vor dem Regierungssitz in der Innenstadt ausgeschüttet, wenn die Regierung die Rücktrittsforderung weiter ignoriere. Der 2006 gestürzte Regierungschef Thaksin Shinawatra, der die UDD aus dem Exil unterstützt, hatte seine Anhänger am Sonntagabend per Videobotschaft zum Durchhalten aufgerufen. »Ihr kämpft für die Demokratie«, rief er ihnen zu.

Die Armee hatte den Militärstützpunkt mit Stacheldraht geschützt und mehrere Reihen Soldaten mit Schilden und Schlagstöcken davor in Position gebracht. Um die Massen zu beruhigen, informierte sie über Lautsprecher, dass keine Munition im Einsatz sei. Dann spielte sie Volksmusik und Jazz, um die Stimmung zu entspannen. Abhisit sagte in einer Fernsehansprache, die nächsten Wahlen würden nicht in aufgeheizter Atmosphäre, sondern im Einklang mit den Gesetzen durchgeführt. Der nächste Wahlgang muss bis Ende 2011 stattfinden.

Die überwiegend aus den armen Provinzen im Norden und Nordosten nach Bangkok gekommenen Demonstranten sammelten sich später in der Altstadt. Dort blockierten Zehntausende einige Straßen und richteten sich auf eine zweite Nacht unter freiem Himmel ein. »Wie wir vorausgesagt haben, sind die Demonstrationen hinsichtlich Umfang und Ausschreitungen weit hinter den hysterischen Vorhersagen zurückgeblieben«, kommentierte der deutsche Botschafter in Bangkok, Hanns Schumacher.

Thaksin hält sich nach eigenen Angaben in Europa auf. In Deutschland sei der Politiker nach dem Versuch Ende 2008, eine längere Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, zur unerwünschten Person erklärt worden, sagte Schumacher.

** Aus: Neues Deutschland, 16. März 2010


Bangkoker Ultimatum

Von Daniel Kestenholz, Bangkok ***

Es wurde nicht der Millionenmarsch, den Thailands Opposition der »Rothemden« ankündigt hatte. Doch sie verwandelten am Wochenende Bangkoks historisches Zentrum in ein rotes Meer, dem bald weitere Stadtteile folgen sollen, wenn die Regierung nicht einlenkt. Gestern Mittag lief ein Ultimatum ab, das um 24 Stunden verlängert wurde: Die Anhänger des 2006 gestürzten Premiers Thaksin Shinawatra fordern die Auflösung des Parlaments für Neuwahlen, um den Weg für seine Rückkehr aus dem Exil zu ebnen. Wenn der amtierende Regierungschef Abhisit Vejjajiva nicht nachgebe, werde sein Kabinett in spätestens einer Woche gestürzt sein. Dabei plant man keine zweite Flughafenbelagerung wie Ende 2008 durch die royalistischen »Gelbhemden«. Und es geht nicht nur um Thaksin, sondern auch um das Ende der doppelten Standards im Land. So wagen Richter noch immer nicht, die königstreuen Besetzer des Flughafens anzuklagen, während »rote« Regierungsgegner postwendend hinter Gitter verschwinden, ganz abgesehen von Kritikern der Krone. So sehr die »Gelben« auf König und Krone schwören, immer hörbarer wird unter den »Rothemden« der offene Republikanismus. Der Protestmarsch der nördlichen Landbewohner ist auch ein verzweifelter Appell: Nehmt uns endlich ernst. Solange die institutionalisierte Benachteiligung der ärmlichen Provinzbevölkerung nicht angegangen wird, ist auch eine Beilegung des langjährigen politischen Konflikts in Thailand illusorisch.

*** Aus: Neues Deutschland, 15. März 2010 (Kommentar)


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