Medwedjew will den Sumpf der Korruption trockenlegen
Paket von Gesetzen soll bereits zum 1. Januar in Kraft treten
Von Irina Wolkowa, Moskau *
Gegen Korruption kämpften bisher alle russischen Präsidenten vergebens. Das soll sich jetzt
ändern.
Bei periodischen Kampagnen gegen Korruption, begleitet von medialem Theaterdonner, stürzten
bislang über einschlägige Vorwürfe bestenfalls ein paar Subalterne, danach verliefen sich auch die
besten Vorsätze von Kreml und Regierung meist im Sande. Obwohl westliche Investoren neben
maroder Infrastruktur und Rechtsunsicherheit immer wieder auch auf Korruption als eine der
Hauptursachen für das Zögern vor allem mittelständischer Unternehmen hinwiesen.
Mit dem Antikorruptionsprogramm, das Dmitri Medwedjew Ende letzter Woche offiziell vorstellte,
würde dem Phänomen erstmals systematisch der Kampf erklärt, lobten sogar Kritiker des
Präsidenten. Geplant ist ein ganzes Paket von Gesetzentwürfen, das die Duma im Eilverfahren
beschließen soll. Denn die Maßnahmen sollen bereits zum 1. Januar in Kraft treten.
Zum einen will der Staat künftig seine Regulierungswut zügeln. Medwedjew und dessen Berater
haben offenbar erkannt, dass die über 30 Papierchen, die hierzulande jeder Klempner für eine
Gewerbelizenz beibringen muss, vor allem eine Lizenz zum Gelddrucken für korrupte Beamte sind.
Künftig ist Schluss damit. Auch, weil der Staat jetzt genauer hinsehen will, wenn seine Diener
vermögend werden und den plötzlichen Geldsegen nicht mit einem Hauptgewinn im Lotto erklären
können. Beamte aller Ebenen sowie deren Verwandte ersten Grades müssen künftig sämtliche
Einkünfte deklarieren, deren Kollegen Verdächtiges nach oben melden. Schweigen wird als Hehlerei
geahndet. Wer sich dessen schuldig macht, soll, so Ermittlungen den Korruptionsverdacht
bestätigen, mit gleicher Härte zur Verantwortung gezogen werden wie die eigentlichen Sünder. Auch
darf, wer aus dem Staatsdienst ausscheidet, zwei Jahre lange nicht in Firmen arbeiten, mit denen
seine Behörde zu tun hat.
Handlungsbedarf ist in der Tat vorhanden. Beim Jahresbericht, den Transparency international –
eine Organisation, die das Phänomen weltweit untersucht – kürzlich vorstellte, fand Russland sich
im Vergleich von 180 Staaten auf Platz 147 wieder. Am Sonntagabend – keine 48 Stunden nach
Medwedjews Grundsatzrede – knöpfte sich sogar der Staatssender RTR das Problem vor. Fazit:
Bestechen und bestochen werden seien momentan für Iwan Normalverbraucher die einfachsten
Wege, Probleme aller Art zu lösen.
Allein im ersten Halbjahr 2008 eröffnete das dem FBI nachempfundene Untersuchungskomitee bei
der Generalstaatsanwaltschaft daher über 1000 einschlägige Strafverfahren. In der fernöstlichen
Amur-Region wird gegen den Gouverneur und die gesamte Regierung ermittelt. Die Truppe hatte
Ende letzten Jahres für einen Betriebsausflug nach Kamtschatka eine Jak-40 in Luxusausführung
gemietet und das Geld dazu – umgerechnet über 22 000 Euro – den Kassen des örtlichen Klinikums
entnommen. Denn offiziell wurde die Sause mit Hilfeleistung für Erdbebenopfer begründet und als
Dienstreise deklariert. Alle Beteiligten trugen daher keine Bedenken, sich auch noch die Spesen
rückerstatten zu lassen.
Delikte wie diese gelten jedoch als eher harmlos. Beamte des Innenministeriums müssen sich für
eine Forderung von umgerechnet 217 000 Euro an einen Unternehmer in Nowgorod verantworten.
Er habe keine Ölquelle und Nowgorod sei nicht Moskau, beschwerte dieser sich. Das, so die
inzwischen verhafteten Erpresser, habe man bei der Preiskalkulation bereits berücksichtigt.
Aus: Neues Deutschland, 8. Oktober 2008
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