Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Irans Studenten unter Druck

Regimekritiker werden weiter von den Universitäten entfernt

Von Khalid Bahman *

Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad geht weiter hart gegen kritische Studenten vor. Die reformorientierten Kräfte im Land hingegen setzen Hoffnungen auf sie – als Unterstützung im nächsten Wahlkampf.

Beim letzten Mal wurde er ausgebuht und seine Bilder zerrissen. Er wurde als Diktator und Lügner beschimpft. Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad hatte dieses Erlebnis vor einem Jahr wohl noch in guter Erinnerung, als er kürzlich an der Teheraner Universität eine Rede zur Eröffnung des akademischen Jahres hielt. Denn diesmal hatte er vorgesorgt. Zutritt zum Saal erhielten nur loyale Studenten, wie die Mitglieder der paramilitärischen Freiwilligenmiliz Basitschi-e Mostasafan, die freien Zugang zu den Universitäten haben. Neben dem Studium haben sie dort die Aufgabe, »ungläubige und konterrevolutionäre« Studenten zu bespitzeln. Sie haben zahlreiche islamische Studentenschaften gebildet und ihre Zusammenarbeit mit staatlichen Organen ist kein Geheimnis.

Trotz starker Sicherheitsvorkehrungen demonstrierten wieder Studenten gegen Ahmadinedschad – diesmal vor den Toren der Teheraner Universität. Sie riefen »Tod dem Diktator«, verglichen den Präsidenten mit dem früheren chilenischen Diktator Augusto Pinochet und forderten die Freilassung inhaftierter Kommilitonen. Nach Handgreiflichkeiten der Demonstranten mit Anhängern von Ahmadinedschad schritt die Polizei ein. Sie ging mit Schlagstöcken und Tränengas gegen die demonstrierenden Studenten vor.

Die Beziehung von Ahmadinedschad zu Studierenden und Professoren ist enorm gestört. Seit seiner Wahl zum Staatspräsidenten ist er zugleich der Chef des Oberstenrats der Kulturrevolution. Seitdem wurden gegen 550 Studenten Disziplinarmaßnahmen verhängt und diese von den Universitäten entfernt. Über 100 Professoren und Universitäts-Rektoren wurden unfreiwillig in den Ruhestand versetzt – unabhängig von ihrem Alter. Über 130 studentische Publikationen wurden verboten. Als Beweis für die Verhaftung dreier Studenten diente ein durch das Geheimdienstministerium gefälschtes Studentenblatt. Darin sollen die Studenten angeblich den Propheten Mohammed beleidigt haben! Die Studenten wurden monatelang in Isolationshaft gehalten und gefoltert. Mitglieder der Studentenorganisation Daftare Tahkim Vahdat verfassten drei Tage vor dem Auftritt Ahmadinedschads in der Teheraner Universität einen offenen Brief, in dem sie ihn mit mehreren Vorwürfen und Ungereimtheiten seiner Politik konfrontieren. So habe er zwar dem USamerikanischen Präsidenten Georg Bush angeboten, in der Teheraner Universität frei reden zu können. Sie selbst und ihre entlassenen Dozenten hingegen dürften nicht mit Ahmadinedschad diskutieren. Sie fragen außerdem mit welcher Befugnis er Studenten von der Universität entfernen und verhaften lasse und wann freie Parteien in Iran zugelassen werden. Der Fragekatalog der Studenten geht hin bis zu Kritik an Ahmadinedschads Holocaust-Leugnungen.

Irans nationaler Studentenverband Tahkime Vahdat wurde nach einem Erlass des Obersten Revolutionsführers Ayatollah Khomeini gegründet und finanziell unterstützt. Tahkim Vahdat wurde vorgeblich geschaffen, um Khomeinis ideologischen Islam in der Studentenschaft zu stärken. Eigentlicher Grund war jedoch, dass man die liberalen und linksgerichteten Studentenorganisationen verdrängen wollte. Heute, 28 Jahre nach der Revolution, gehört Tahkim Vahdat zu den lautesten Kritikern des Regimes. Die Organisation ist im ganzen Land aktiv und im Fokus der politischen Lager in Iran. Die Erzkonservativen und die reformorientierten Kräfte haben dabei völlig unterschiedliche Absichten. Die Erzkonservativen um Ahmadinedschad wollen die Studenten mit Verhaftungen und Exmatrikulierung einschüchtern. Die Reformisten sehen in der Organisation Unterstützung für die Rückkehr an die Macht. Am 16. März 2008 findet in Iran die Parlamentswahl statt.

Zur Zeit sind die Studenten der Prügelknabe der Nation. Die Teheraner Tagszeitung Kayhan beschimpfte die Demonstranten gegen Mahmud Ahmadinedschad als »Lakaien des israelisch-USamerikanischen Verbrechers«.

Mahmud Ahmadinedschad hatte in seiner Rede in der Columbia Universität behauptete »Iran hat die meisten Freiheiten der Welt«. Er hat damit wohl gemeint, dass das Militär, die Sittenwächter und das Geheimdienstministerium die Freiheit haben, Kritiker, Studenten, Arbeiter, Frauen und Journalisten zu verfolgen und aus dem Gesellschaftsleben auszuschließen.

* Aus: Neues Deutschland, 22. Oktober 2007


Zurück zur Iran-Seite

Zurück zur Homepage