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"... entscheidet, dem Irak eine letzte Möglichkeit zur Erfüllung seiner Abrüstungspflichten zu gewähren"

UN-Sicherheitsrat verabschiedet einstimmig Resolution - "ernste Konsequenzen" angedroht

Am 8. November 2002 haben es US-Präsident Bush und der britische Premierminister Blair endlich geschafft: Ihr scharfe Irak-Resolution wurde nach einem langen Tauziehen im UN-Sicherheitsrat einstimmig verabschiedet. Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats sind China, Frankreich, die Russische Föderation, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten. 2002 sind folgende zehn Länder als nichtständige Mitglieder im Sicherheitsrat vertreten: Bulgarien, Guinea, Irland, Kamerun, Kolumbien, Mauritius, Mexiko, Norwegen, Singapur und Syrien. Alle segneten sie die Entschließung ab.

Irak hat nun sieben Tage Zeit, dieser letzten Aufforderung zur Kooperation mit den Waffeninspekteuren nachzukommen, d.h. die Resolution zu akzeptieren. Danach läuft eine Frist von 30 Tagen, innerhalb deren Bagdad eine vollständige Aufstellung der vorhandenen Waffen und Waffenprogramme vorlegen muss. Diese Liste muss wahrheitsgetreu sein.

In einer ersten Reaktion äußerten sich Präsident Bush und UN-Generalsekretär Kofi Annan zufrieden mit dem Ergebnis der Sitzung. Bush warnte den Irak, dass dies seine letzte Chance sei. Hussein müsse jetzt sein Waffenarsenal offen legen und zerstören. Der UNO-Botschafter der USA, John Negroponte, stieß ins gleiche Horn, wenn er meinte, "die Weltgemeinschaft verlangt vom Irak, seine Massenvernichtungswaffen zu zerstören". Kofi Annan wird mit den Worten zitiert, dass die "Resolution den Frieden stärkt und dem Streben nach Sicherheit in einer zunehmend unsicheren Welt neuen Schwung gibt".

Eine Sprecherin der für die Waffeninspektionen zuständigen Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) sagte laut Spiegel-Online in Wien, es sei geplant, die ersten Inspektoren in zehn Tagen nach Irak zu entsenden. "Wir sind dazu mehr denn je bereit", sagte Melissa Fleming. "Wir sind zufrieden, dass wir eine Resolution haben, die uns erlauben wird, unsere Arbeit zu tun", sagte Fleming kurz nach der Abstimmung. Bei Licht besehen, hätten indessen schon längst Inspekteure in Bagdad sein können, nachdem der Irak bereits im September angeboten hatte, bedingungslose Inpektionen zuzulassen. Dazu kam es nicht, weil die USA auf den Chef der Waffeninspektionen, Hans Blix, sowie auf die Mitglieder des Sicherheitsrats Druck ausgeübt hat, die Inspektionen mit einer "harten" Resolution in den Irak zu schicken.

Die Resolution lässt - vorbehaltlich einer Prüfung des gesamten Textes, der im Moment noch nicht vorliegt - genügend Spielraum zur Interpretation (mittlerweile liegt der volle Text vor: UN-SR-Resolution 1441 (2002) vom 8. November 2002 ). Wann sind die Angaben Bagdads "vollständig" oder "genau" oder "aktuell"? Wer stellt fest, ob Angaben "falsch" sind oder ob es sich um "Auslassungen" handelt? (Beides wird als "schwer wiegender Verstoß" gewertet.) Was ist unter "jeglicher" Behinderung zu verstehen?

Immerhin: Ein Automatismus zum Krieg ist in die Resolution nicht eingebaut worden. Dagegen hatten sich insbesondere Frankreich und Russland zur Wehr gesetzt. Beide wollen zweifellos keinen Krieg. Ihre Überlegung war wohl: Lassen wir eine Resolution an unserem Veto scheitern, dann werden die USA den Krieg mit dem Vorwand beginnen, der UN-Sicherheitsrat sei handlungsunfähig und käme seinen Verpflichtungen nicht nach - so hatte es Bush in seiner Rede vor der Generalversammlung am 12. September unmissverständlich zu Protokoll gegeben. Also haben Frankreich und Russland eine Resolution akzeptiert, nachdem im Gegenzug die USA den Text etwas "entschärft" hatten, insbesondere durch den Verzicht auf den Zwangsautomatismus.

Nun sind alle zufrieden? Wir können es nicht sein. Sollte es Probleme bei den Waffeninspektionen geben, muss der UN-Sicherheitsrat zusammentreten, um die Situation zu bewerten. Zu befürchten ist, dass die US-Administration ihre eigene Bewertung vornehmen wird. Das würde dann Krieg bedeuten - ein Krieg, auf den sich die USA und Großbritannien schon seit Monaten vorbereiten.
Peter Strutynski


Die UN-Resolution gegen Irak

Im Folgenden dokumentieren wir wesentliche Auszüge aus der von den USA und Großbritannien eingebrachten Resolution, die der UN-Sicherheitsrat am Freitag, den 8. November 2002, um 10 Uhr (Ortszeit) einstimmig verabschiedete (in einer vorläufigen dpa-Übersetzung).

Der Sicherheitsrat

- stellt fest, dass der Irak schwerwiegende Verstöße gegen seine Verpflichtungen begangen hat und weiter begeht, die in relevanten Resolutionen festgeschrieben sind, unter anderem in Resolution 687 (von 1991), und insbesondere wegen seiner Verweigerung seiner Kooperation mit Inspekteuren der Vereinten Nationen und der IAEA (Internationalen Atomenergie-Agentur) (...)

- entscheidet, dem Irak eine letzte Möglichkeit zur Erfüllung seiner Abrüstungspflichten zu gewähren (...) und dafür ein verstärktes Inspektionsregime mit dem Ziel der vollständigen und verifizierten Beendigung des Abrüstungsprozesses einzusetzen (...)

- entscheidet, dass (...) die Regierung des Irak dem Sicherheitsrat spätestens 30 Tage nach dieser Resolution eine aktuelle, genaue und vollständige Aufstellung (seiner Waffenprogramme) vorlegt (...)

- entscheidet, dass falsche Angaben oder Auslassungen (...) einen weiteren «schwer wiegenden Verstoß» gegen Iraks Pflichten darstellen würden und dass dies dem Sicherheitsrat zur Bewertung berichtet wird

- entscheidet, dass der Irak den (Waffeninspekteuren) (...) sofortigen, ungehinderten, bedingungslosen und unbeschränkten Zugang (...) gewährt. (...) weist die UNMOVIC an und bittet die IAEA, die Inspektionen nicht später als 45 Tagen nach der Annahme dieser Resolution wieder aufzunehmen und nach weiteren 60 Tagen den Sicherheitsrat über den neuesten Stand zu informieren.

- weist den Exekutivdirektor von UNMOVIC und den Generalsdirektor der IAEA an, jegliche Behinderung der Inspektionen durch den Irak oder mangelnde Befolgung der Abrüstungsauflagen sofort an den Sicherheitsrat zu melden (...)

- entscheidet, bei Erhalt einer solchen Meldung sofort zusammenzukommen und die Situation und die Notwendigkeit uneingeschränkter Erfüllung der entscheidenden Resolutionen zu überprüfen, um den internationalen Frieden und die Sicherheit zu gewährleisten

- ruft in diesem Zusammenhang in Erinnerung, dass der Sicherheitsrat den Irak wiederholt gewarnt hat, dass er im Ergebnis seiner fortgesetzten Verletzungen dieser Pflichten mit ernsten Konsequenzen zu rechnen hat.

UN-Sicherheitsrat: Resolution 1441 (2002) vom 8. November 2002 im vollen Wortlaut


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