Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Barbara Lee: "Der Kongress hat die Macht, die gescheiterte Politik der Bush-Regierung zu einem verantwortlichem Ende zu bringen."

Aber wird er sie auch nutzen? Drei Beiträge zur Diskussion in den Vereinigten Staaten

Im Folgenden dokumentieren wir drei Beiträge, die sich aus demokratischer und friedenspolitischer Perpektive mit der inneramerikanischen Diskussion um den andauernden Krieg im Irak befassen. Die Originalbeiträge sind in US-amerikanischen Zeitschriften bzw. Internetzeitungen erschienen und von unserer Praktikantin Lena Jöst zusammengefasst und teilweise übersetzt worden.



Demokraten im Dilemma

Ist ein rascher Abzug der US-Truppen aus dem Irak sinnvoll? Diese Frage spaltet die Demokraten. Bereits im Vorfeld der Veröffentlichung des Bericht des Oberkommandierendem im Irak, General Petraeus, neigten die wichtigsten Anführer der Demokraten, Nancy Pelosi, die Sprecherin des Abgeordnetenhauses und Senator Harry Reid, der demokratische Mehrheitsführer im Senat, zu mehr Kompromissbereitschaft und suchten einen Konsens mit den Republikanern, nachdem ihre Bemühungen, genug Republikaner auf ihre Seite zu ziehen, um den Krieg zu beenden, gescheitert waren. Die demokratischen Senatoren Carl Levin und Jack Reed, zwei der angesehensten militärischen Stimmen in der demokratischen Fraktion, denken über einen allmählichen Rückzug ohne eine klare Frist nach.

Kein Wunder, dass eine derart nachgiebige Haltung für Ärger sorgte. „Alles, was von dem Punkt gesehen, an dem wir dieses Frühjahr waren [ein endgültiges Datum für den Truppenabzug], einen Rückschritt darstellt, ist nicht akzeptabel“, sagte der demokratische Abgeordnete Lynn Woolsey, eines der Gründungsmitglieder des über 70 Mitglieder verfügenden Out of Iraq – Ausschusses des Abgeordnetenhauses. „Eine Zusammenarbeit beider Parteien ist großartig... aber nur, sofern sie einen geordneten Rückzug der Truppen verfügt.“

Ob man das als sinnvoll ansieht, hängt von der Einschätzung der derzeitigen Lage im Irak ab. Und genau darum ging es in dem Bericht von General Petraeus. Grund genug für das von liberalen Gruppen unterstützte National Security Network, die Richtigkeit von Petraeus` Einschätzung anzuzweifeln, bevor diese überhaupt öffentlich wurde. Und die gegen den Krieg eingestellten Demokraten bleiben nicht hinter Teilen der Zivilgesellschaft zurück: auf liberalen Internetseiten kritisierten sie Petraeus scharf.

Unter den misstrauischen Kritikern ist auch die demokratische Abgeordnete Maxime Waters, ebenfalls ein Gründungsmitglied des Out of Irak – Ausschusses. „Es wird immer einige Demokraten geben, die sich ein Bein ausreißen werden, um das zu glauben, was sie von den Generälen vor Ort hören. Wir sind darauf vorbereitet, das zu tun, was wir tun müssen, um zu verhindern, dass wir einen Bericht akzeptieren müssen, der die Situation vor Ort nicht wahrheitsgetreu darstellt“, sagte sie. Der Fortschritt in einigen Gebieten zeige nicht das ganze Bild im gesamten Kriegsgebiet.

Damit sprach sie einen der Gründe an, warum sich einige der führenden Demokraten um einen Kompromiss mit den Republikanern bemühen: die Befürchtung, dass in Petraeus` Bericht genügend positive Nachrichten enthalten sein würden, um moderate Republikaner und rechte Demokraten dazu zu bringen, sich doch nicht für einen Rückzug der Truppen auszusprechen.

Vorerst wird es darüber keine Abstimmung geben. Mitte September wird es im Senat einen Gesetzesentwurf geben, in dessen Rahmen ein Kompromiss debattiert werden könnte – auch wenn es fraglich ist, ob sich für einen Kompromiss überhaupt eine Mehrheit finden würde.

„Das ist mir sehr wichtig. Ich könnte keinen Gesetzesentwurf unterstützen, der keine wirklichen Zähne hat. Und das bedeutet einen Zeitplan für den Abzug. Ich kann keinen Gesetzesentwurf ohne eine spezifische Frist für den Abzug vorsieht“, sagte der demokratische Senator Ron Wyden.

Ein besonderes Dilemma stellt diese Frage für die demokratischen Präsidentschaftskandidaten dar, die sich nun entscheiden müssen, ob sie auf die Basis hoffen und sich strikt für einen Abzug aussprechen oder sich nicht doch konsensbereit zeigen sollten.

„Anstatt Stimmen zu gewinnen, habt ihr mit der Aufgabe der Forderung nach einer Frist, um unsere Truppen aus dem Irak zu holen, die Stimme dieses Demokraten verloren“, sagte Senator Chris Dodd von Connecticut, einem der Bewerber um den Posten des demokratischen Präsidentschaftskandidaten. „Es ist klar, dass halbe Maßnahmen weder diesen Präsidenten aufhalten noch den Krieg beenden werden.“

Zusammenfassung: Lena Jöst

Originalartikel: Anti-war Dems fight for timeline. By Martin Kady II
September 7, 2007
The Politico; http://dyn.politico.com



Irakisches Moratorium

Der DRITTE FREITAG jeden Monats ab Freitag dem 21. September

Von Bill Fletcher, Jr.

Am 21. September und jeden dritten Freitag des Monats von da an werden in den USA Proteste gegen den Irakkrieg stattfinden. Das ist das Ziel und die Hoffnung einer wachsenden Gruppe von Aktivisten, die zutiefst unzufrieden sind mit dem langsamen Tempo der Veränderung in Bezug auf den empörenden und illegalen Krieg gegen den Irak und dessen Besetzung. (Siehe: www.iraqmoratorium.org)

Die Idee ist eher einfach. An dem dritten Freitag jedes Monats wird es Proteste in den USA geben. Die Proteste können die Form von Menschen annehmen, die Armbänder tragen oder es könnte sein, dass die Menschen sich dazu entschließen, nichts außer Notwendigkeiten zu kaufen. Es mag sein, dass Leute zu Hause bleiben, anstatt zur Arbeit zu gehen oder dass sich Streikpostenketten vor militärischen Anwerbungszentren bilden. Welche Form(en) es auch annehmen mag, die Forderung ist dieselbe. Der Krieg muss aufhören und es wird nicht mehr ein Klima der normalen Tagesordnung geben, während Iraker in fast unzählbarer Anzahl getötet werden und der Ticker weiterklickt, während ein US-Soldat nach dem anderen sein Leben verliert.

Es ist nicht nur entscheidend, dass wir, die gegen diesen Krieg Einspruch erheben, mehr tun als periodisch nationale Demonstrationen zu veranstalten; es ist genauso wichtig, dass das Schwarze Amerika seine eigene Ablehnung des Krieges zum Ausdruck bringt. Das sollte nicht schwer sein. Vor kurzem fand ein Medienbericht heraus, dass schwarze Amerikaner sich nicht im Militär einschreiben, auch nicht diejenigen von uns, die aus militärischen Familien kommen. Die Gründe waren klar: In einer Anzahl, die JEDEN anderen Teil der Bevölkerung übertrifft, stellen wir uns dem Irakkrieg und der Besatzung entgegen.

Der 21. September muss daher unser Tag sein, um mit Protesten zu beginnen. Fast 25 Monate nach der Katastrophe mit Katrina sind unsere Proteste gegen den Krieg gleichermaßen auch Proteste gegen die politische und wirtschaftliche Katastrophe, die auf den Wirbelsturm Katrina gefolgt ist. An jeden Tag, an dem Evakuierte durch die USA verstreut bleiben und wenig getan wird, die Golfküste zur Heimat ihrer einheimischen Bevölkerung zu machen, geht der Krieg im Irak weiter. Trotz aller Beweise, dass das nicht nur ein illegaler Krieg ist, sondern auch noch einer, der keinen Erfolg hat, hält sich die Bush-Regierung weiterhin die Ohren zu, bedeckt ihre Augen und macht weiter, macht weiter mit US-Soldaten, unserem Geld und den Leben der Iraker. Dies passiert und Evakuierte bleiben entwurzelt, New Orleans bleibt ein Katastrophengebiet und, ja, Brücken brechen in Minneapolis zusammen. Die Ressourcen, die hier so verzweifelt gebraucht werden, verdunsten, alles im Namen eines Krieges, der niemals hätte stattfinden sollen.

Es ist an der Zeit für das Schwarze Amerika, unsere Wut über diesen Krieg gemeinsam zu zeigen. Ob durch Sondersitzungen auf dem Campus, religiöse Dienstleistungen in unseren Institutionen, Versammlungen oder einfach schwarze Armbänder können wir verdeutlichen, dass wir an diesem Krieg nicht teilhaben wollen und dass dieser Krieg NICHT in unserem Namen geführt wird.

Uns sollte auch klar sein, dass das nur ein erster Schritt ist. Die Bush-Regierung hat es offensichtlich gemacht, dass sie niemandem außer sich selbst zuhört, wenn es um die Irakpolitik geht. Wenn das der Fall ist, wird zu der Stille zuhören, wenn Millionen sich dazu entscheiden – sich aus dem Alltag zurückzuziehen und dieses Land schließlich zum Stillstand zu bringen?

Die Zeit ist vorüber, in der wir annehmen konnten, unsere periodischen nationalen Artikulationen von Entsetzen und Ablehnung würde zu einem Erwachen des Gewissens dieser Regierung führen. Diese Regierung hat kein Gewissen, was bedeutet, dass wir mit Macht reagieren müssen. Diese Macht wird in unserer Möglichkeit gefunden werden, durch unser eigenes Handeln zu zeigen, was wir mit kein Klima der normalen Tagesordnung meinen.

Übersetzung: Lena Jöst

Originalartikel: Iraq Moratorium. By Bill Fletcher, Jr.
Aus: Black Commentator; September 6, 2007; www.blackcommentator.com



Es ist Zeit für den Kongress, eine Position einzunehmen

Von Barbara Lee *

Die Daten des Berichts des Oberkommandierenden im Irak, General Petraeus, sind suspekt. Das Pentagon weigert sich, die Methode offenzulegen, mit der Kriterien erreicht wurden, die gebraucht werden, um zu behaupten, man habe einen Erfolg erreicht. Selbst wenn der Fortschritt real ist, ist es im es im Ganzen gesehen kaum ermutigend. Bei der Besprechung der angeblichen Erfolge, für die er gesorgt habe, sagte General David H. Petraeus, dass sie uns auf den Kurs bringen würden, die Truppen von jetzt an in neun oder zehn Jahren zurückzuziehen.

Was die Debatte über militärischen Fortschritt wirklich bewirkt, ist, als eine von Ablenkung – als Deckmantel - zu dienen, die von einer Regierung ausgeht, die es rhetorisch dienlich findet, in Begriffen von „Sieg“ und „Niederlage“ zu sprechen.

Sie dient dazu, die grundsätzliche, fundamentale Tatsache, dass es für die Situation im Irak keine militärische Lösung gibt, zu verschleiern. Unsere Truppen sind in einen Bürgerkrieg und einer Besatzung gefangen, in einer Situation, in der es keinen „Sieg“ geben kann. Unsere andauernde Präsenz schadet nicht nur unserem Militär, sondern unterminiert auch unsere nationale Sicherheit und unsere Anstrengungen, den internationalen Terrorismus zu bekämpfen.

Mitglieder der Bush-Regierung wissen das, genau wie sie auch verstehen, dass es keine schönen oder sauberen Möglichkeiten gibt, unsere Politik dort zu einem verantwortungsvollen Ende zu bringen. Sie geben sich damit zufrieden, Lippenbekenntnisse über einen Sieg von sich zu geben, während sie versuchen, der Uhr davonzulaufen und ein zynisches politisches „chicken game“ spielen, bei dem wer auch immer handelt, um ihre gescheiterte Politik vernünftig zu beenden, beschuldigt werden wird, den Irak verloren zu haben.

Die jüngste Bitte des Präsidenten um weitere 50 Milliarden Dollar, um die „Truppenaufstockung“ fortzusetzen – zusätzlich zu den 147 Milliarden Dollar, die der Kongress als zusätzliche Kriegsfinanzierung in Betracht ziehen soll – ist nichts anderes als ein Ruf nach einem Blankoscheck, um endlos an einer gescheiterten Politik festzuhalten. Mitglieder des Kongress werden entscheiden müssen, wessen Interessen sie repräsentieren: Die eines Präsidenten, dessen Erbe ein unnötiger Krieg ist oder Millionen von Amerikanern, die verstehen, dass die Beendigung der Besatzung der erste Schritt ist, den Schaden zu reparieren, den die Regierung der Sicherheit unserer Nation und der Welt zugefügt hat.

Ein Neueinsatz der Truppen ist eine Vorbedingung dafür, Iraks Nachbarn und die internationale Gemeinschaft in einen regionalen Stabilitätsplan mit einzubinden. Wir haben eine moralische Verpflichtung, bei dem Wiederaufbau des Irak zu helfen, aber weder Iraks Nachbarn noch die internationale Gemeinschaft werden sich wirklich für einen regionalen Stabilitätsplan engagieren, solange sie glauben, dass die Vereinigten Staaten vorhaben, eine unbefristete Besatzung aufrechtzuerhalten.

Ein Neueinsatz ist eine Vorbedingung für jede erfolgreiche Anstrengung, den globalen Terrorismus zu bekämpfen. Die US-Besatzung des Irak ist zum Sammelpunkt für die Rekrutierung, Ausbildung und Finanzierung von Terroristen geworden, was unsere anti-terroristischen Bemühungen aktiv unterminiert.

Der Kongress hat die Macht, die gescheiterte Politik der Bush-Regierung zu einem verantwortlichem Ende zu bringen.
Im Juli führten die demokratischen Abgeordneten Lynn Woolsey, Maxine Waters und ich eine Gruppe von 70 Kongressmitgliedern, die dem Präsidenten schrieben, dass wir nur für die Finanzierung zweier Dinge stimmen würden: Unsere Truppen und Lieferanten zu schützen und sie nach Hause zu bringen. Ich werde diesen Kampf fortsetzen.

Übersetzung (Auszüge): Lena Jöst

* Barbara Lee ist Kongressabgeordnete.
Originalartikel: Time for Congress to take a stand. By Barbara Lee
Aus: The San Francisco Chronicle, Tuesday, September 4, 2007;
www.sfgate.com



Zurück zur Irak-Seite

Zur USA-Seite

Zur Seite "Friedensbewegung"

Zurück zur Homepage