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Asien will Freihandel

Größter Wirtschaftsraum der Welt: ASEAN-Länder, China, Indien und vier weitere Staaten wollen Zollschranken abbauen und eng kooperieren

Von Thomas Berger *

Asien macht ökonomisch mobil. Auf dem Kontinent arbeiten zahlreiche Staaten weiter intensiv daran, in den kommenden zwei Jahren die weltgrößte Freihandelszone aus der Taufe zu heben. Das unter dem Kürzel RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) zusammengefaßte Bündnis würde die zehn Länder des Mitgliedsländer der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN), die Giganten China und Indien, Südkorea und Japan sowie Australien und Neuseeland einschließen.

Der Plan ist knapp ein halbes Jahr alt. Auf dem ASEAN-Gipfel Mitte November in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh wurde die Idee erstmals diskutiert. Seither hat es vorbereitende Gespräche im kleineren Rahmen gegeben. Formell soll der Startschuß für die Verhandlungen zwischen den Interessenten beim Gipfeltreffen im Sultanat Brunei ab 9. Mai erfolgen. Käme es tatsächlich zur Bildung von RCEP in der aktuell avisierten Konstellation, entstünde der größte Freihandelsblock auf dem Planeten. Er würde die Hälfte der Weltbevölkerung umfassen – allein China und Indien bringen schließlich zusammen gut zweieinhalb Milliarden Einwohner auf die Waagschale. Ausdrücklich nicht als Mitglied vorgesehen sind die USA – die an einer eigenen umfassenden Freihandelszone auf beiden Seiten des Pazifiks basteln. Zwei Projekte, die nun in Konkurrenz zueinander treten.

Die ASEAN, bis zur Jahrtausendwende ein eher loses Bündnis, wächst inzwischen ökonomisch immer enger zusammen. Ähnlich wie in Europa mit etablierten EU-Staaten und Neuzugängen aus dem ehemaligen Ostblock, gibt es aber auch in Südostasien zwei Gruppierungen mit unterschiedlichen Entwicklungsniveaus. Die wirtschaftlich starken Länder wie Thailand, Malaysia, Singapur, Indonesien und die Philippinen schreiten voran – die Armenhäuser Myanmar (Burma), Kambodscha und Laos hinken in vielerlei Hinsicht hinterher. Sie haben im Integrationsprozeß längere Fristen gewährt bekommen.

Im unterschiedlichen Entwicklungsstand der vorgesehenen RCEP-Mitglieder liegt die vielleicht größte Herausforderung für das Vorhaben. Auf der einen Seite stehen traditionelle Industrienationen wie Japan, Australien, Neuseeland und das längst zu diesem Kreis gehörende Südkorea. China und Indien auf der anderen Seite sind mehr als nur sogenannte Schwellenländer, können zwei der stärksten und mit am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften vorweisen – obgleich gerade Indien nach wie vor in absoluten Zahlen auch die meisten Armen weltweit zählt. In Südostasien hat der stetige Aufschwung zuletzt bei der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 in einigen Ländern deutliche Spuren erhalten.

Bilaterale Freihandelsabkommen zwischen ASEAN und den jeweiligen Partnern gibt es teilweise schon. Das mit China unter dem Kürzel ACFTA ist seit Jahresanfang 2010 in Kraft, die Grundsatzvereinbarung dazu geht bis ins Jahr 2002 zurück. Schrittweise bis 2018 werden die Einfuhrzölle auf verschiedene Produktgruppen stark reduziert oder völlig aufgehoben. Schon jetzt hat sich der Durchschnittssatz der Besteuerung von 8,1 auf 4,5 Prozent beinahe halbiert. Ebenfalls seit Jahresbeginn 2010 läuft das Abkommen mit Australien und Neuseeland (­AANZFTA), dessen Etappen zur Zollsenkung bis 2020 festgelegt sind. Nicht beim Inkrafttreten – ebenfalls Januar 2010 –, wohl aber in der zeitlichen Umsetzung des Regelwerks, gibt es mit dem Partner Indien beim Abkommen AIFTA einige Unterschiede. Auf dem Indo-ASEAN-Gipfel 2003 war der Grundstein für die Vereinbarung gelegt worden. Der Zeitrahmen zur Etablierung wurde allerdings bis zum Jahr 2023 gestreckt. Bei dieser letzten Stufe geht es um die Zölle für die Liste der besonders sensiblen Güter. Absenkungen bzw. Wegfall des Importzolls für die übrige Warenpalette sind für 2019 bzw. 2020 vorgesehen.

Die Rahmenabkommen mit Japan und Südkorea wiederum variieren im Grad der Umsetzung zwischen den einzelnen ASEAN-Ländern.

All dies ist eine solide Basis für den geplanten Freihandelsblock, trotz weiterer Hürden. So hatte China bisher eher die Bildung einer Zone lediglich im ost- und südostasiatischen Raum favorisiert. Politische Animositäten zwischen einzelnen Nationen könnten den ehrgeizigen Zeitplan zu Fall bringen, insbesondere die territorialen Streitigkeiten im Südchinesischen Meer. Vor allem China, Japan, Vietnam und die Philippinen haben sich überlappende Gebietsansprüche.

Für Australien wiederum wäre eine Beteiligung an RCEP ein wichtiger Meilenstein auf dem seit 2007 eingeschlagenen Weg, sich aus der einseitigen Fokussierung auf die USA zu lösen und den Blick verstärkt nach China zu richten. Was der damalige sozialdemokratische Premier Kevin Rudd eingeleitet hatte, kann aber auch gestoppt werden, sollten wie erwartet bei der Wahl im Herbst die Konservativen wieder in Canberra die Macht übernehmen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 26. April 2013


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