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ASEAN umschiffte ein Problem

Myanmar verzichtet auf Vorsitz der Vereinigung / Australien lenkte ein

Von Alfred Michaelis, Vientiane*

Die laotische Hauptstadt Vientiane erfreut sich selten so großer Aufmerksamkeit wie in dieser Woche. Zunächst trafen sich die zehn Außenminister der Vereinigung südostasiatischer Staaten (ASEAN). Dann wurde die Runde um die Chefdiplomaten Chinas, Japans und Südkoreas erweitert, und schließlich als noch größeres Gremium das Asiatische Regionalforum zusammen.

Katastrophenschutz und Terrorismus standen im Mittelpunkt der ASEAN-Außenministerkonferenz in Vientiane. Die Anschläge in London und Scharm el Scheich lieferten dem 10-Staaten-Forum die Bestätigung für die Richtigkeit der Tagesordnung. Zumal auch ASEAN-Staaten wie die Philippinen, Indonesien und Thailand Probleme mit islamistischer Gewalt haben. Und das jüngste Seebeben vor der thailändischen Küste ließ die Erinnerungen an den verheerenden Tsunami erneut aufflackern.

Doch mit viel größerer Spannung war von vielen Beobachtern eine andere Entscheidung erwartet worden. Sie wurde von Nyan Win, dem Außenminister von Myanmar (früher Burma), fast am Rande verkündet. Seine Regierung sieht sich nicht in der Lage, turnusgemäß den Vorsitz der südostasiatischen Staatengemeinschaft zu übernehmen und überlässt dies den Philippinen. Myanmar, so der Minister, wolle sich lieber voll auf den »Aussöhnungs- und Demokratisierungsprozess« im eigenen Lande konzentrieren.

Damit ging eine langwieriges Tauziehen hinter den Kulissen erst einmal zu Ende. Denn seit Myanmar Mitglied der ASEAN ist, hatten deren Beziehungen zur EU und den USA manchen Belastungstest zu überstehen. Selbst die Abwesenheit der USA-Außenministerin Condoleezza Rice, die sich beim Asiatischen Regionalforum in Vientiane von ihrem Vize Robert Zoellick vertreten ließ, wurde verschiedentlich als Demonstration wegen der bisher offenen Vorsitzfrage gewertet. Auch die EU, mit dem südostasiatischen Staatenbund in einem speziellen Konsultations- und Kooperationsmechanismus verbunden, hegt Vorbehalte gegen die Militärregierung in Yangon. So starke, dass ein Teil der Beratungen nur mit den sechs alten Mitgliedern der ASEAN geführt wird. Zwar wären die Kommunisten aus Vietnam und Laos für die EU akzeptabel, nicht aber die Generäle aus Myanmar, die die Wahlergebnisse von 1988 ignorieren und die damalige Siegerin Aung San Suu Kyi bis heute aus der Politik fern halten.

Die ASEAN selbst sieht die Lage weit pragmatischer. Für die zehn Mitglieder der Gemeinschaft ist Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten oberstes Gebot. Das wurde von laotischer Seite zur Eröffnung der Außenministerkonferenz geradezu beschwörend bekräftigt. Und so hatte es auch genügend Hinweise darauf gegeben, dass man die Entscheidung in der Frage des Vorsitzes Myanmar selbst überlassen wollte. Die meisten ASEAN-Mitglieder nahmen die für den Fall des Myanmar-Vorsitzes angedrohten Sanktionen der USA und der EU gewiss nicht auf die leichte Schulter. Doch ihre Begeisterung darüber, dass äußere Kräfte die Gemeinschaft in gute und weniger gute Mitglieder einteilen, hält sich in Grenzen. So folgte dem Verzicht denn auch die Ankündigung, die ASEAN werde Myanmar sofort den Vorsitz überlassen, wenn das Land selbst dazu bereit ist.

Einen Erfolg gegen die »Großen« verzeichnete die ASEAN denn doch. Australien tat, was es lange Zeit für unmöglich hielt: Die Regierung John Howards verpflichtete sich vertraglich, die ASEAN-Staaten nicht anzugreifen und sich nicht in deren innere Angelegenheiten einzumischen. Das war eine der Bedingungen für Australiens Teilnahme am Ost-Asien-Gipfel, zu dem sich Staats- und Regierungschefs der Region Ende des Jahres im malaysischen Kuala Lumpur treffen. Diesen Zug wollte man in Canberra nicht verpassen. Neben den ASEAN-Staaten Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam sind nun China, Indien, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland eingeladen.

* Aus: Neues Deutschland, 30. Juli 2005


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