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Mehr Geld für Krieg

Von Arnold Schölzel *

Seit fast sieben Jahren nehmen Soldaten der Bundeswehr am »Krieg gegen den Terror« in Afghanistan teil. Grundlage des Einsatzes ist die vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder bekundete »uneingeschränkte Solidarität« mit den USA nach den Attacken vom 11. September 2001 sowie eine erstmals von der Bundesrepublik übernommene Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 des NATO-Vertrages, obwohl die Angriffe von New York und Washington nicht aus Afghanistan kamen. Unter dem Dach eines UN-Mandats für den Wiederaufbau des Landes hat sich der afghanische Drogenexport erheblich erhöht, die Zahl der durch die NATO- und US-Truppen getöteten Zivilisten steigt derzeit von Monat zu Monat. Der amtierende deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hält das aber alles nicht für einen Krieg, wie er am Dienstag (9. Sept.) im ZDF-Morgenmagazin erneut erklärte. Er verwechselte bei dieser Gelegenheit Scharmützel der letzten Tage. Einen Raketenangriff auf den Bundeswehr-Stützpunkt in Kundus vom Sonntag legte er auf Montag. Die Korrektur ergänzte das Verteidigungsministerium später damit, daß es bereits am Sonnabend (6. Sept.) bei einer Fahrt der deutschen Schnellen Eingreiftruppe von Kundus nach Masar-i-Sharif zu zwei Anschlägen gekommen war. In allen Fällen gab es keine Verletzte. Als Nicht-kriegführender Minister kann man schon mal den Überblick verlieren.

Vor diesem Hintergrund und mit diesem Spitzenpersonal stockte die Bundesregierung am Dienstag (9. Sept.) ihre sogenannten Aufbauhilfen für Kabul, die vor allem für Waffen, Uniformen und Polizei- bzw. Militärausbildung gedacht sind, auf 170 Millionen Euro auf und bereitete die Entsendung von 1000 zusätzlichen, damit 4500 Soldaten vor. Die Nachrichtenagenturen berichteten eilfertig von einem »neuen Afghanistan-Konzept«. Bundeskanzlerin Angela Merkel räumte dagegen ein, daß außer der Aufstockung alles beim alten bleibt. Ein Ende des Einsatzes sei nicht absehbar. Wörtlich: »Ich kann einen genauen Zeitrahmen nicht nennen.« Sie hätte hinzufügen können, daß sie wie ihr Vorgänger auch das Ziel des Krieges nicht kennt. Immerhin hat sie das Wahlkampfversprechen des möglichen zukünftigen US-Präsidenten Barack Obama, den Krieg in Afghanistan auf jeden Fall durch mehr Truppeneinsatz gewinnen zu wollen.

Auf solch stabiler Grundlage lassen sich mehrere Kriege zur Verbreitung der Demokratie führen bzw. vorbereiten. Am Dienstag billigte das Kabinett außerdem eine Verlängerung des deutschen Marineeinsatzes vor der libanesischen Küste bis Ende 2009. An dem Einsatz der »United Nations Interim Force« (UNIFIL) sind derzeit etwa 230 deutsche Soldaten beteiligt. Erlaubt sind dem neuen Mandat zufolge bis zu 1200 (bislang 1400). Das Mandat muß vom Bundestag gebilligt werden. Die Verlängerung um 15 statt wie üblich 12 Monate wurde beschlossen, damit die Bevölkerung vor den Bundestagswahlen im September 2009 nicht mit einem derartigen Thema behelligt wird. Es herrscht schließlich Demokratie.

Mit der ebenfalls geplanten Verlängerung des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr befaßten sich die Minister noch nicht. Dies steht im Oktober an. Die Opposition kritisierte das Afghanistan-Konzept. Die FDP erklärte, die Aufstockung der Mittel allein reiche nicht. Die Grünen – 2001 Mit-Urheber des Kriegseinsatzes – wollten 30 Millionen Euro mehr. Die Linke sprach von »eher kosmetischen Korrekturen«. Dies gleiche dem Versuch, »einen Todkranken zu heilen, indem man ihn auf gesund zurechtschminkt«.

* Aus: junge Welt, 10. September 2008


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