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"Der deutsche Sozialstaat wird nicht am Hindukusch verteidigt"

Im Wortlaut: Pressemitteilung und Aufruf aus der Friedensbewegung zur Bundestagswahl

Im Folgenden dokumentieren wir eine Mitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag, die sich sowohl mit den Vorhaben der Friedensbewegung für den Herbst als auch mit der bevorstehenden Bundestagswahl befasst.



Pressemitteilung

Bundesausschuss Friedensratschlag beschließt Herbstaktivitäten und verabschiedet einen Aufruf zur Bundestagswahl am 18. September

  • Herbstaktivitäten der Friedensbewegung beschlossen
  • Beendigung der Kampfeinsätze der Bundeswehr
  • Deeskalation im Iran-Atomstreit
  • Israelischer Abzug auch aus Westjordanland notwendig
  • EU-Militarisierung rückgängig machen
  • Wahlaufruf verabschiedet
Kassel, 5. September - Am Sonntag hat der Bundesausschuss Friedensratschlag über die Herbstaktivitäten der Friedensbewegung beraten und einen Aufruf zur Bundestagswahl verabschiedet. Wie der Sprecher des Friedensbündnisses mitteilte, werde sich die Friedensbewegung in den nächsten Wochen und Monaten schwerpunktmäßig mit folgenden fünf Problemkreisen befassen:
  1. Man werde sich massiv in die Debatte um die Fortsetzung des Bundeswehrkampfeinsatzes im Rahmen von "Enduring Freedom" einmischen und den Bundestag dazu auffordern, in einem ersten Schritt sofort die KSK-Truppen (Kommando Spezialkräfte) aus Afghanistan zurückzuziehen.
  2. Die Auseinandersetzungen um das iranische Atomprogramm dürften nicht weiter eskalieren. Die Friedensbewegung warnt sowohl die USA als auch die EU davor, den Iran mit völkerrechtlich und atomrechtlich unhaltbaren Forderungen in die Enge treiben zu wollen. Das Problem der Atomwaffen werde nicht durch Drohungen, sondern könne nur duch eigene konstruktive Beiträge zur atomaren Abrüstung gelöst werden. Der Bundesausschuss Friedensratschlag unterstützt daher die weltweite Kampagne zur Abschaffung aller Atomwaffen und zum Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland.
  3. Der andauernde Krieg im Irak bleibt ebenso auf der Agenda der Friedensbewegung wie die nach wie vor ungelösten Probleme im israelisch-palästinensischen Konflikt. Die Friedensbewegung hält es für unabdingbar, dass die Besatzungstruppen den Irak verlassen. Im Nahen Osten wird es eine Wende zum Besseren erst geben, wenn Israel nach dem Rückzug aus dem Gazastreifen auch die anderen Siedlungen im Westjordanland aufgibt.
  4. Nach dem "Nein" zur EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden hat sich die EU zwar eine "Denkpause" auferlegt, die Pläne zur Militarisierung der EU werden aber auch ohne Verfassung weiter voran getrieben. Die Friedensbewegung wird ihre Aufklärungsarbeit in Sachen EU-Militarisierung fortsetzen und insbesondere darauf drängen, dass die Battle Groups (Schlachtgruppen) und die Europäische Eingreiftruppe sowie die Europäische "Verteidigungsagentur" (früher: "Rüstungsagentur") gestoppt werden.
  5. Des Weiteren beteiligt sich der Bundesausschuss Friedensratschlag an Kampagnen, die den Rückbau des deutschen Militärhaushalts und den Stopp großer offensiver Rüstungsbeschaffungsprogramme zum Ziel haben. Der grundgesetzwidrige Umbau der Bundeswehr aus einer Verteidigungsarmee in eine Interventionsarmee muss gestoppt werden.
Zur Bundestagswahl:
"Noch nie war es für friedensangagierte Bürgerinnen und Bürger leichter, eine Entscheidung für die Bundestagswahl zu treffen", sagte Peter Strutynski, ein Sprecher des Bundesausschusses Friednsratschlag, zur Eröffnung der Tagung der Organisation am Wochenende. "Rot-grün hat es sich mit ihrer fortgesetzten militärisch gestützten Außen- und Sicherheitspolitik selbst zuzuschreiben, wenn ihr die letzten Sympathien aus dem Friedenslager abhanden kommen. Und unter einer schwarz-gelben Regierung würde nichts besser, sondern manches noch schlimmer." Der Bundesausschuss Friedensratschlag hat eine Wahlempfehlung herausgegeben, nur solchen Kandidatinnen und Kandidaten die Stimme zu geben, die am ehesten bereit erscheinen, einen friedenspolitischen Kurswechsel im Bundestag zu unterstützen. Den Wahlaufruf entnehmen Sie bitte dem Anhang.

F.d. Bundesauschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)


Anhang: Wahlaufruf des Bundesausschusses Friedensratschlag

Wir wollen eine vorausschauende Friedenspolitik

Wir wollen eine Friedenspolitik, die auf dem Völkerrecht, globaler Gerechtigkeit, auf Abrüstung und Demokratie beruht. Die gegenwärtigen Veränderungen der deutschen Militärpolitik sind mit diesen Anforderungen nicht vereinbar. Die Bundeswehr, nach Artikel 87a des Grundgesetzes zum Zweck der Verteidigung aufgestellt, wird mit dem Ziel umgebaut, sich künftig noch stärker an weltweiten militärischen Einsätzen, an Kriegen beteiligen zu können. Folglich werden neue milliardenschwere Rüstungsprojekte für Auslandseinsätze der Bundeswehr angeschafft. Doch die Bundesrepublik Deutschland braucht keine Eurofighter, Großtransportflugzeuge, Raketenabwehrsysteme, Marschflugkörper, Schützenpanzer, Korvetten, U-Boote, Laser- und Streubomben.

Unser Land braucht Abrüstung statt Sozialabbau. Deutschland braucht vorrangig öffentlich geförderte Arbeitsplätze und Investitionen in Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheit, Umweltschutz sowie integrierte Systeme von Waren- und Personenverkehr. Der deutsche Sozialstaat wird nicht am Hindukusch, sondern gegen die Mächtigen in Wirtschaft, Politik und Publizistik verteidigt.

Wir wollen eine vorausschauende Friedenspolitik, die weltweit auf Beseitigung der Konfliktursachen gerichtet ist. Diese Politik arbeitet auf Gerechtigkeit, Solidarität, Entwicklung, Recht auf demokratische Teilhabe und nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen hin. Die Versuche, die Probleme der Welt militärisch zu lösen, sind opferreich gescheitert. Krieg darf kein Mittel der Politik mehr sein.

Um das Überleben der Menschheit zu sichern, müssen angesichts der wachsenden Zahl Kernwaffen besitzender Staaten, alle Atomwaffen abgeschafft werden. Deutschland muss ein Zeichen setzen und die hier gelagerten Atomsprengköpfe beseitigen.

Die Androhung und Anwendung militärischer Gewalt muss ausgeschlossen werden. Keine Regierung hat das Recht, zur Durchsetzung machtpolitischer und wirtschaftlicher Interessen überall dort vorbeugend Krieg zu führen, wo es ihr angebracht erscheint. Dazu gehört auch Gewaltanwendung unter dem Deckmantel der weltweiten Terrorbekämpfung. Krieg selbst ist Terror.

Abrüstung ist das Gebot der Stunde. Die Rüstungsausgaben, die weltweit jährlich nahezu eine Billion Dollar erreichen, müssen zum Aufbau einer friedlichen, demokratischen und sozial gerechten Welt aufgewendet werden. Dadurch wird die Macht der großen Rüstungskonzerne zurückgedrängt, die Entwicklung immer neuer und gefährlicherer Waffen(technologien) gebremst, und der weltweite Rüstungshandel kann gestoppt werden.

Wir wollen eine friedliche Welt, globale Gerechtigkeit statt militärischer Vorherrschaft, wir wollen zivile vorbeugende Krisenbekämpfung statt Präventivkriege, wir wollen ein demokratisches und sozial gerechtes Europa des Friedens statt einer EU-Armee.

Wir wollen Abrüstung statt Sozialabbau.

Bundesausschuss Friedensratschlag
Kassel, 5. September 2005

(Diesen Wahlaufruf gibt es auch als pdf-Datei)


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